Antwort auf: komponistinnen von jazz-standards

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gypsy-tail-wind
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vorgarten
kay swift („can’t we be friends“, „fine and dandy“)

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Doch dafür war Kay Swift die erste Frau, die ein abendfüllendes Broadway-Musical schrieb: Fine and Dandy (1930). Eigentlich ganz »klassisch« ausgebildet, ließ sie sich von George Gershwin (1898–1937) inspirieren, um ihr Glück ebenfalls mit populärer Musik zu machen. Swift und Gershwin hatten seit 1925 eine Affäre. 1934 ließ sich deswegen Swifts Ehemann – der Bankier James Paul Warburg – scheiden. Die Affäre ging weiter – bis zu Gershwins frühem Tod (er starb 1937 mit nur 38 Jahren an einem Gehirntumor).

[…]

Den Text zu Kay Swifts Song Can’t We Be Friends? schrieb 1929 ihr einstiger Ehemann Paul James (eigentlich: James Paul Warburg). Swifts Lied wurde zu einem All-Time-Favourite, an dem es generationsübergreifend für Künstlerinnen und Künstler wie Bing Crosby (1929), Frank Sinatra (1955), Ella Fitzgerald und Louis Armstrong (1956) und Jamie Cullum (2003) keinen Weg vorbei gab.

Paul James erzählt in seinem Song die Geschichte eines sich unaufhaltsam nahenden (netten!) Korbes: »Ich hätte es wissen müssen, aber jetzt ist es zu spät.« – und schließlich: »Sie wird mich abweisen und sagen: ›Können wir nicht einfach Freunde sein?‹« Die Originalität des Textes steckt dabei in den lustig-tragischen Vergleichsbildern: Der verliebte Protagonist legt die Worte der geliebten Frau nicht nur auf eine Goldwaage, nein, für ihn waren ihre Worte die »Wahrheiten des Evangeliums«.

Musikalisch überzeugt Can’t We Be Friends? durch die Vielgestaltigkeit von Melodik und Harmonik im Verbund. Die melodischen Bewegungen scheinen zunächst durchweg zu sagen: »Na, mein Schatz, siehst du selbst ein, nicht?« – oder: »Ich habe es dir von Anfang an erklärt!« Jedenfalls geht es am Ende eines »Satzes« immer steil bergab. Hier werden keine Fragen in den Raum geworfen. Hier wird festgestellt!

Harmonisch ist der Song – freilich Bestandteil des Real Books – ebenso genial »konstruiert«. Nach einem einleitenden »Add 9th Chord« (einem mit einer großen None bestückten Dur-Akkord) steht auch schon »C7« auf der Matte und mündet eben nicht (sonst wäre es ja auch fast kein Jazz/Blues mehr) in »irgendetwas mit F«, sondern in »G7« (das dann noch zu einem »Gb9b5« wird). Erst danach kommt es zum »erwartbaren« Akkord auf F-Basis nämlich zu »F6«. Doch um die überraschende (?) Janusköpfigkeit und Komplexität der im Song beschriebenen sozialen Situation harmonisch »umzusetzen«, wendet sich »F6« unmittelbar der verwegenen Mediante »Db7« (und die im Song »sprechende« Frau wohl einem anderen Geliebten) zu.

Bleibt nur noch – neben der Ungewissheit bezüglich »Freund:innen oder mehr …« – die Frage: Ist Can’t We Be Friends? die berühmteste Melodie einer Komponistin aller Zeiten? Die Antwort muss ganz klar lauten: »Gerne! Aber was ist dann mit Ramona von Mabel Wayne (1928) und La vie en rose (1945) von Marguerite Monnot?«

https://van-magazin.de/mag/250-komponistinnen-kay-swift/

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