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jesseblueDer bestgeklickte Upload seines Songs „Freaks“ kommt auf YouTube auf 62 Mio. Aufrufe. Auf Spotify schafft es der Track auf ~750 Mio. Plays. Und das allein in den eventuell letzten drei Jahren. Das Stück ging dank TikTok viral und war für eine lange Zeit auch in vielen Viral-Top-Playlisten. Und es könnte dadurch eventuell einer der meistgestreamten E-Gitarrentracks der letzten Jahre sein. An sich ein ziemlich simples Lied, das aber etwas ausdrückt und erzeugt, was (meiner Meinung nach) keine Pop-Produktion dieser Welt in dieser direkten Art schaffen würde: Das ungeschminkte Gefühl, nicht dazu zu gehören. Und sehr nice, dass es eine Hörerschaft da draußen gibt, die das ähnlich hört, wie einige Top-Comments auf YT beweisen. Ich glaube, die Kids wären bereit für mehr Musik dieser Art.
Ich finde den Erfolg überraschend und dann auch wieder nicht, es ist halt catchy. Es hat auf jeden Fall meinen Respekt, teenage angst-Lyrik mit ein wenig Pep [beachte das „e“ ;)] zu kombinieren. Dass die Stimmen bei dieser Art Musik immer im Mix begraben werden, ist auch eine kluge Entscheidung … :) Rick Beato würde auch hier kritisieren, dass der Song superkurz ist und eigentlich nichts passiert, das Riff läuft ohne Varianten durch, keine fancy Akkordwechsel, keine Bridge, keine Dramaturgie, „not a real song“. Für mich geht das in Ordnung. Besser als J.J. Cale ist es alle Mal.:)
Deine Einschätzung, dass eine solche Musik Gefühle anspricht, die andere nicht erreicht, halte ich für kurzschlüssig. Fans etwa von Billie oder von The Weeknd fühlen sich genauso emotional angesprochen und verstanden, lies die entsprechenden Kommentarspalten. Und ja, auch ABBA können zu einer Teenagerseele sprechen, die sich unverstanden und in der Welt fremd fühlt.
Interessant ist zu beobachten, wie bei vielen der Fokus irgendwann von „das ist meine Musik, die die Erwachsenen nicht verstehen“ zu „das ist meine Musik, die der Jugend von heute ist [hier eine beliebige abwertende Bezeichnung einfügen]“ schwenkt. Zwei Seiten einer Medaille. Musikhören dient eben immer auch der Distinktion – mein Tribe ist cooler als Deiner …
LoFi-Ästhetik lehne ich übrigens nicht grundsätzlich ab, hier eine meiner aktuellen Favoritinnen. Der Unterschied ist, dass Stimme und Songwriting genügend Substanz haben, um im Vordergrund zu stehen.:)
Lael Neale – I Am The River
Lael Naele – Faster Than The Medicine
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