Startseite › Foren › Kulturgut › Das musikalische Philosophicum › Musik im Wandel der Zeit: Wie Musik sich verändert › Antwort auf: Musik im Wandel der Zeit: Wie Musik sich verändert
bullschuetz Ich glaube tatsächlich auch in diesem Fall, dass, wie schon beim Austausch mit @plattensammler Mein Thema war schlicht, dass historisch „Popmusik“ (wenn man es nicht vollkommen allgemein als populäre, also bei vielen Leuten beliebte Musik definiert) wohl doch das ist, das in der westlich-kapitalistischen Konsumgesellschaft, angetrieben durch die masesenmediale Reproduzierbarkeit (sprich „Platte“ und „Spieler“), schubweise entstanden ist in der Zwischen- und vor allem dann in der Nachkriegszeit.
Das würde ich erstmal als Diskussionsgrundlage festzurren, denn darin liegen ja auch die Potentiale für alle weiteren Diskussionen.
Gleichzeitig würde ich, darauf aufbauend, auch mal die These in den Raum stellen, dass die eigentliche Essenz des Pop darin besteht, dass Kulturprodukte durch Technik so verbreitet verbreitet werden (können), dass sie theoretisch grenzenlose Märkte erschließen (können) Z.B. als LPs, Streaming, Soundtracks, Taschenbücher, Prints. Demzufolge auch ökonomisch nutzbar gemacht werden (können).
Daraus ergeben sich für mich zwei zentrale Erkenntnisse.
A) Pop, als kapitalistisches Phänomen, sucht sich neue Märkte und ist demzufolge ständig im Wandel. Diese Märkte können geografisch verortet werden. So ist Vicky Leandros ein Superstar in Deutschland und in Griechenland. Dann ist Fela Kuti ein großer Popstar in Westafrika und einer für Liebhaber in anderen Teilen der Welt. So werden auch Shakira oder Bad Bunny zu globalen Superstars. Sind Märkte ertragbringend genug, ergibt sich dann fast automatisch, dass sie für den Pop interessant werden.
Der andere Weg ist es, dass sich Pop bekannte Stile vereinnahmt. Melodien aus der Klassik werden zu Hits in Filmen und gehen in den Pop über. Lokale Musiktraditionen können aufgegriffen werden und durch Reproduktion und Veränderung für einen Massenmarkt bereitet werden.
Mit den neuen Märkten geht auch einher, dass bekannte Pfade auch mal verlassen werden können. Dann mag der Lederjackentyp an der E-Gitarre seine Zeit (vorerst) wirklich hinter sich gelassen haben.
B) Wie oben angedeutet ist das Produkt selbst selbst gar nicht so bedeutend. Pop ist Kunst, die durch technische Reproduzierbarkeit eine (potentielle) massentaugliche Vermarktlichung eingeht. Ravi Shankar hat dementsprechend vielleicht nicht als Popstar angefangen, seine Karriere hat ihn aber zum Teil des Pop werden lassen. Abgrenzungen zwischen U- und E-Musik interessieren Pop eigentlich nicht, solange sich eine Käuferschaft findet. Pop muss dementsprechend auch nicht popular sein, aber birgt für alles und jeden eben das Potential dazu.
Das ist sozusagen das Versprechen für die Individuen, das damit einhergeht und mag es noch so klein sein: wenn ich mich dem Pop bediene, dann kann ich mit meinen Mitteln erfolgreich im kapitalistischen Sinne sein: egal ob ich ein übergewichtiger Hawaianer mit einer Ukulele bin, eine Altherren Traditionsband aus Havanna, ein verkappter Dichter mit nasaler Stimme aus Duluth oder ein Liverpooler Songwriter-Duo, das denRock’n’Roll liebt. Selbst als schmalziger Pianist kann ich die Charts anführen genauso wie mit harten Texten über das Dealerleben.
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