Antwort auf: Die besten Vocal-Jazz-Alben und Vocal-Jazz-Tracks

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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vorgarten

friedrich
Hatte die Platte gestern Abend relativ aufmerksam gehört und war beeindruckt, wie ungewöhnlich und unkategorisierbar sie klingt. Es ist wohl unvermeidlich, dass das machmal irritiert und auch mal mehr, mal weniger überzeugt.
Erstaunlich und schön, dass sich das auch noch gut verkaufte.
Kennt hier jemand das darauf folgende CW-Album New Moon Daughter?

das ist in der tat eine eigenartige erfolgsgeschichte. wilson war ja beim münchener label JMT unter vertrag, dort die stimme des m-base-kollektivs, hat aber dort auch ein klassisches standards-album aufgenommen (BLUE SKIES, sehr schön), war mit e-bass, hammondorgel und funk-drummer live unterwegs und bekam dann einen vertrag bei blue note. und statt mit den vorgeschlagenen produzenten zu arbeiten, vertraute sie instinktiv auf die ideen eines nachbarn, craig street, der eine andere instrumentierung für ihre ungewöhnliche stimme vorschlug (e-bass und orgel waren ihr zu nah) und sie fragte, welche musik sie jemals zum weinen gebracht hätte – und sie antwortete: frühe blues-musik und folkpop.
die musiker auf diesen ersten beiden alben (BLUE NIGHT… und NEW MOON DAUGHTER) sind halt sehr interessant, die sparsam und auratisch spielenden kornettisten olu dara, graham haynes und butch morris, der violinist charles burnham (der mit james blood ulmer spielte), ein paar der m-base-leute (lonnie plaxico, don byron war ja auch im erweiterten umfeld), cyro battista. aber den erfolg hat sie auch als ambivalent empfunden, sie ist ja damals nur noch in großen hallen und stadien aufgetreten, mit dieser eigentlich sehr intimen musik. ich mag BLUE NIGHT… auch am liebsten, danach ist für mich viel hit & miss dabei, eigenes, eher jazzfernes songwriting, immer mehr musiker, die eher aus anderen bereichen kamen, das miles-tribut-album mag ich z.b. gar nicht, dafür aber das spätere LOVERLY. 2015 gab es dann das sehr interessante album mit t bone burnett und van dyke parks, COMING FORTH BY DAY (absurderweise eine billie-holiday-hommage, schon nicht mehr auf blue note), seitdem nichts mehr, was ich einigermaßen unfassbar finde.

Interessant. Danke!

Ich kenne nur sehr wenig von Cassandra Wilson. Jump World aus JMT-Zeiten habe ich noch schemenhaft im Ohr. Hatte mich wohl nicht so beeindruckt. Ihre Diskografie wirkt auf mich etwas unstet. Erstaunlich, dass sie einen Vertrag bei Blue Note bekam und ebenso erstaunlich, dass BN sich auf das Experiment mit Blue Light … einließ. Dieser künstlerische Ansatz von Craig Street („Was berührt dich eigentlich wirklich?“ und „Lass uns doch einfach mal die Instrumentierung völlig auf den Kopf stellen!“) ist schon toll!

Als Blue Light … veröffentlicht wurde, war CW 38 Jahre alt. Ein etwas spätes Durchbruchsalbum.

Coming Forth … interpretiert Billie Holiday ja eigentlich auch sehr schön um. Kaum klassische Jazz-Arrangements, eher gothic Americana. Hätte mich nicht gewundert, wenn da Bill Frisell mitgespielt hätte. Als Coming Forth … veröffentlich wurde, war CW 60 Jahre alt.

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)