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vorgarten
gypsy-tail-wind
Und ja, die Sachen mit Lucy Reed nehme ich durchaus ernster als dieses eine mir bekannte Frigo(/Marx)-Album. Vielleicht tu ich denen ja ein wenig Unrecht, aber ich bin ja sehr durchaus offen für kühle und auch hart-weisse Spielweisen des Jazz der Fünfziger … mit einer gewissen emotionalen Distanz meistens, aber eben: sehr interessiert. Mir kommt das aber einfach echt zu beschaulich rüber (drum der Biedermeier-Vergleich oben), halt wirklich so aus dem Vorstadt-Lifestyle heraus, kleines Häuschen, heile Welt … bei Tristano oder Konitz oder die ganzen kühlen New Yorker (Mulligan, Fruscella usw.) öffnen sich ganz andere Welten (hat wohl schon auch was mit „dues“ zu tun, was jetzt bitte nicht als Drogenromantik verstanden werden soll … aber die Lebenswelt hat nunmal einen Einfluss auf die Kunst, und dass wir Jazzfans – gerade wenn wir in so abgelegenere Ecken wie den weissen Cooljazz der Fünfziger eintauchen – es oft mit gebrochenen und schwierigen Biographien zu tun haben, ist ja bekannt). Dabei ist aber schon festzuhalten, dass eben Frigos Geigenspiel wirklich besonders ist.ich glaube, ich bin da völlig bei dir. es ist bei mir wohl spezifisch diese version von „a lazy afternoon“, die ich sehr interessant finde:
das ist nicht mit bill evans, sondern eben mit frigo/marx, und wahrscheinlich auch schon von ende 1954, was das jahr ist, in dem der song überhaupt zum ersten mal zu hören war (im musical THE GOLDEN APPLE). für mich sind der song und das arrangement bereits ein baustein zum modalen jazz, dabei sehr atmosphärisch und spannungsvoll, ählich wie die version von karin krog 10 jahre später. kann sein, dass lucy reed hier einfach wusste, was sie wollte – aber was klavier und bass hier machen, ist schon sehr interessant.
Ja, das ist auch wirklich klasse! Und das „aggressive“ Spiel von Frigo am Bass kann man da schon auch raushören, wenn man mag: der Gestus ist eben nicht: ich hab Noten und die hab ich dann und dann als Pedal Point zu spielen sondern der setzt die, sehr gezielt, wuchtig (aber nicht übertrieben) – und auch wenn er zum Bogen greift, das ist nicht mit Samthandschuhen und ebensowenig mit Routine gespielt. (Zu Marx mag ich da nichts sagen, den kann ich auch vom Frigo-Album her schlecht einschätzen, denk der Jankowski-Vergleich könnte sehr wohl passen (aber klar, das schliesst auch nicht aus, dass er selbst mal so eine schöne Arrangement-Idee hatte).
Dass das beinah modal klingt, höre ich auch so. Hat natürlich mit dem Orgelpunkt (Pedal Point) zu tun, das öffnet ja das Feld bzw. reduziert eben die allenfalls vorhandenen Changes stark (ein paar Bewegungen sind ja doch noch übrig in der Version). Da passen natürlich die Leute, mit denen sie sich umgab (Evans, Russell, der andere Evans) auch perfekt. Und die Stimme ist halt auch toll … also auch da eine gewisse Distanz (zur Stimme nicht, mit der hat sie mich), aber mir kommt das alles schon stärker vor als meine kleinen sonstigen Einblicke in Sachen Frigo/Marx. Die hatten vielleicht auch so gute Ideen und Überlegungen hinter dem, was sie taten, aber die Umsetzung überzeugt halt einfach nur halb (das ist ja nun auch nichts, was auf weisse Cooljazzer der Fünfziger beschränkt wäre: wie oft sind in einer Rezension Sätze zu lesen, nach denen ein heftiger Haben-Wollen-Effekt eintritt, und wenn dann die eigenen Ohren im Spiel sind, ist vom Gelesenen nur ansatzweise was hörbar … eh auch immer individuell bzw. schwer skalierbar, sowas … aber wir hören ja auch viele ähnliche Dinge mit ähnlichem Background bzw. teils mit bekannten Unterschieden und das ermöglicht ja schon immer wieder ein Sprechen darüber).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba