Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!

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gypsy-tail-wind
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Okay, ich muss die drei jedenfalls die nächsten Wochen mal griffbereit halten – eine echte Bereicherung! Dass sie „Sin“ bald vom Podest schubsen, glaube ich nicht, aber das ist ja auch nicht so wichtig.

Was hier die letzten Tage auch immer wieder lief, ist diese Doppel-CD von Billy Eckstine – eine deutlich erweiterte Ausgabe einer früheren Doppel-LP. Die Compilation präsentiert eine Auswahl seiner MGM-Aufnahmen. Das war die Zeit, in der er auch einige Hits landete – dann aber, im Gegensatz zu den weissen Kollegen, aus Hollywood nur leere Versprechungen erhielt, die gläserne Decke nicht durchbrechen konnte und irgendwie weiter machen musste. Die Baritonstimmen, die den männlichen Jazzgesang in den Vierzigern prägten, fielen dann aus der Mode, Mitte der fünfziger war Sinatra das neue Ding, Eckstine musste sich neu erfinden, was ihm und den Produzenten seiner wechselnden Label nicht recht gelingen wollte … er kam dann aber 1956 oder 1957 bei EmArcy/Mercury unter und zumindest das erste Album, das trotz des Titels keine Compilation ist sondern fast ein Konzeptalbum mit – wie bei Mr. B. üblich – vornehmlich langsamen, aber nicht übermässig traurigen Balladen:

Das ist dann schon sehr gut … auch auf der MGM-Doppel-CD gibt es einiges wunderbares. Die Frage, ob er nun ein Jazzsänger sei, ist bei ihm nicht so leicht zu beantworten, dünkt mich. Also eh, als Bandleader der legendären Big Band, die leider nicht recht aufgenommen wurde aber neben der überhaupt nicht dokumentierten von Earl Hines (wo er als Bandsänger auch schon dabei war) eine der Initialzündungen des Bebop … keine Frage, dass er in der Jazzgeschichte eine bedeutende Rolle einnimmt. Dass seine Aufnahmen dann halt v.a. aus Balladen bestehen, wirkt in diesem Wissen etwas seltsam, aber so ist das halt.

Auf die Spitze getrieben wird das mit einer der letzten in der MGM-Compilation enthaltenen Aufnahmen, 1953 mit den Metronome All-Stars: die erste Hälfte singt er „How High the Moon“ als Ballade, dann gibt es eine Atempause, und die Band mit Eldridge kickt im schnellen Tempo den zweiten Teil (Warne Marsh und Lester Young Seite an Seite – interessantes Line-Up! Zusammen auf einer Seite gab’s das auf einer EP, aber natürlich erschienen die zwei langen Stücke – „St. Louis Blues“ ist das andere – auch auf 78ern).

Und obwohl auch die acht Stücke von der Session mit Bobby Tucker und seinem Quartett (zwei Sessions von Juli 1952 mit Barney Kessel, Red Callender, Lee Young) vornehmlich Balladen sind (zwei EPs, die wie es scheint nie ins LP-Zeitalter rübergerettet wurden, sonst wären sie zweifellos besser bekannt), sind sie wahnsinnig gut. Eins der Highlights ist „Some Gets in Your Eyes“, und auch bei so einem Stück wird klar, dass er eben im Herzen ein Jazzsänger war, immer:

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba