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bullschuetz
herr-rossi Soll jetzt ernsthaft die Bibel das Beispiel für einen unveränderlichen Text sein, der die Aktualisierung von Texten ad absurdum führt?
Um Gottes willen nein! Ein „Original“ ist da ja gar nicht fixierbar. Alles, was wir heute haben, ist eine Bearbeitung der Übersetzung der Bearbeitung der Übersetzung der Bearbeitung eines unbekannten Urtexts oder so. Abgesehen davon: Die „Bibel in gerechter Sprache“ gibt es schon seit 2006. In diesem Sinne: Bei der Bibel ist Hopfen und Malz verloren, mit der kann jeder alles machen.
Aber damit ist sie auch das Paradigma für den Buchmarkt, wie wir ihn bislang kannten. Sobald die Rechte abgelaufen sind, kann jeder aus jedem Buch machen, was er will. Und innerhalb der Geltungsfristen von Urheber- und Verwertungsrechten entscheiden die Rechteinhaber, wie Neuauflagen aussehen. Solange die sich einig sind, ist jede Änderung im Zuge von Neuauflagen legitim. Wenn jetzt durch einen Teil des Publikums der Erstausgabentext für sakrosankt erklärt wird, dann findet diese Forderung im Recht keinen Rückhalt und auch nicht in der bisherigen Praxis des Verlagswesens.
Puffins Vorgehen war absolut legitim – und sogar der Öffentlichkeit gegenüber transparent, in dem sie die Änderungen schon vor Erscheinen selbst publik gemacht haben. Wie er dafür an den Pranger gestellt wurde, ist nicht in Ordnung, was auch immer man von den Änderungen hält.
Verlage müssen frei in ihren verlegerischen Entscheidungen bleiben. Und sie dürfen sehr wohl auch ihre Weltanschauung, ihr Narrativ, ihren Wertekanon usw. ihren Veröffentlichungen aufdrücken, Verlage sind zu keiner Objektivität oder Neutralität verpflichtet. Und ehrlich: Rudyard Kipling in einem einzelnen Text durch Jane Austen zu ersetzen, das ist nicht wirklich die maoistische Kulturrevolution revisited …
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