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bullschuetz Vier Thesen: (1) Diejenigen, die (auch hier im Forum) so tun, als seien kunstfeindliche Einschränkungsbestrebungen aufgrund aus dem Ruder gelaufener Korrektheitsvorstellungen gar kein reales Problem, sondern ein von rechtsaussen künstlich aufgebauschtes Pseudophänomen, stellen sich dümmer, als sie sind.
Der Diskurs hat sich verschärft, weil beide Phänomene sehr gut ineinander greifen. Wir haben den Umstand, dass Bestrebungen zu mehr Sichtbarkeit von rechtsaussen permanent boykottiert, delegimitiert und skandalisiert werden, wir haben gleichsam aber auch Strömungen, die jede Befindlichkeit jeder Peergroup als wichtig und bedenkenswert erachtet und kaum mehr weitere Aspekte abseits der formalen Betroffenheit hinterfragt (etwa Klasse, politisches Spektrum, anekdotische Beweisführung).
(2) Dass die extremsten Cultural-Appropriation-Positionen, die bereits beim Rastalockentragen einen Skandal sehen, mittlerweile ihre Höchstkonjunktur schon wieder überschritten haben, ist der Tatsache zu verdanken, dass zum Glück längst auch aus dem linken Lager immer wieder deutliche „Das geht zu weit“-Grenzsetzungen kommen.
Dass eine Künstlerin bei FFF ausgeladen wird, ist sicher zu weit gegangen, ja. Ich bin auch der Überzeugung, dass ein paar Kifferheads mit Dreads und Tosh Poster im Zimmer nicht die Keimzelle der völkischen Bewegung sind (und auch nicht Alltagsrassismus legitimieren, eher sogar im Gegenteil). Dazu kommen eben auch rein formale Probleme bei sehr strengen Konzepten von CA, die hier z.B. in einer Minute an einem Beispiel sehr schön veranschaulicht werden (10:20).
(3) Die meisten Leute haben einen ganz guten intuitiven Kompass, und wenn sie anfangen, sich über manche laut woke-bubble zu beachtenden Empfindlichkeiten zu wundern, ist das ein brauchbarer Indikator dafür, dass manche Korrektheitsforderungen eben wirklich übergaigelt sind.
Ich bin mir zum Stand der Dinge da nicht ganz so sicher (29:35).
(4) Ich bin für Roald Dahl im Original. Der Witz an ihm war doch schon immer, dass er mit manchen Ideen, Plots und Sprüchen auf der Kante zum Übergriffigen oder Verstörenden tanzte. Textbearbeitungen, die das befrieden, glätten, einhegen, abschmirgeln, sind natürlich abzulehnen.Dass sich „sensitivity reader“ über seine Texte hermachen, ist nichts, was ich verharmlost sehen möchte. Hier läuft etwas gehörig schief.
Es ist nichts falsch daran, über bestimmte Begrifflichkeiten mehr nachzudenken, sie zu kontextualisieren und auch nicht unkommentiert zu lassen (nicht zu verwechseln mit Verboten, Streichungen und kompletten Änderungen). Natürlich gerade auch bei Kinderbüchern. Klar mag es seltsam wirken, wenn auf einmal Liedtitel umbenannt werden, aber ist das in dem Kontext schlecht?
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Hold on Magnolia to that great highway moon