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Guten Morgen! Mit dieser Janácek-CD müsste ich mich wieder mal befassen, fa fand ich bisher nur so halbwegs rein.
Gestern lief bei mir allerdings auch noch die neue CD von Het Collectief – dieses mal in kleiner Besetzung, Klaviertrio plus Flöte und Klarinette:
Da gibt es zum Einstieg Steuermanns Arrangement der „Verklärten Nacht“ Op. 4 (für Klaviertrio), dann die „Kammersymphonie“ Op. 9 im Arrangement von Webern (für alle fünf) – und dann wechseln wir vom Schönberg zu Berg, und da wird es etwas überraschender: es folgt die Klaviersonate Op. 1 in einem Arrangement für Quintett von Tim Mulleman, von Het Collectief in Auftrag gegeben,
given that Berg’s piano sonata had grown out of a fascination with Schoenberg’s opus 9. The young Berg, who had studied with Schoenberg from 1904, used the same quartal harmonies and whole tone chords; indeed, he seems to have copied some motifs note for note from the earlier work. Innovation was not, however, an end in itself for Berg. He introduced new techniques into his musical discourse without their being noticed, finding them a natural place in the work as a whole. Mulleman’s transcription transforms the piano piece into a chamber music work in its own right. The virulent character of the piece is well served by the expansion of the musical texture to every instrumental register and by the blossoming of the counterpoint into an animated dialogue.
(aus den Liner Notes von Thomas Dieltjens, die es in diesem Fall FR/EN/NL gibt).
Den Abschluss macht dann das Adagio aus dem Kammerkonzert in der bekannten Fassung von Berg selbst für Klarinette, Violine und Klavier.
Davor gab es dann zum ersten Mal die erste Bruckner-CD vom Tonhalle-Orchester Zürich mit der Symphonie Nr. 7 – und die ist so toll wie erhofft. Da ist CD schon ein völlig anderes Erlebnis als live – und ich bedaure es sehr, dass die drei in der laufenden Saison gespielten (der Reihe waren das nach 8, 6 und 3) alle in den Zeitraum meiner Covid-Umnebelung fielen. (Die „Kát’a Kabanová“ in Genf ja ebenfalls, aber das war so besonders, dass ich das zumindest in der Summe begeisternd fand, auch wenn ich mich nicht in Details dazu vertiefen bzw. dazu was formulieren konnte, ein paar Tage später.)
Zur Nacht und heute morgen erneut lief diese Arcana-Neuheit mit jeweils drei Sonaten für Violine und b.c. (Cello, Cembalo, Erzlaute/Barockgitarre) von Giovanni Mossi (ca. 1680-1742) und Antonio Montanari (1676-1737). Gespielt werden die Sonaten von Gabriele Pro an der Violine und dem Ensemble Anima & Corpo, das hier (in derselben Reihenfolge wie die Instrumente) aus Maria Calvo, Cristiane Gaudio und Simone Vallerotonda besteht.
Die drei „Dresden“-Sonaten von Antonio Montanari sind jeweils dreisätzig, wobei derjenige in d-Moll, mit der die CD öffnet, noch eine „Giga senza basso“ nachgeschoben wird. Die Sonaten von Mossi sind vier- (Op. 5 Nr. 6) bzw. fünfsätzig (Op. 6 Nr. 4 und Nr. 5).
In den Liner Notes wird als erstes gleich mal das Bild zurechtgerückt, das bisher von den beiden Komponisten üblicherweise vermittelt wurde:
The composers Giovannni Mossi and Antonio Montanari have hitherto been presented in recordings of a largely anthological character aimed at grouping together instrumentalist that, in their various ways, were either pupils, followers or imitators of Arcangelo Corelli. As a result, they have rarely received the kind of attention to be found on this disc. Although often classified and remembered merely as Corelli’s pupils (or allegedly so, given that practically nothing is known about their training), they should instead be viewed as among the most important exponents of 18th-century Roman instrumental music,not only for their concerto output (which is already fairly familiar to enthusiasts of Baroque music), but also for their contribution to the genre of the solo violin sonata: a repertoire that needs extensive rediscovery. Bringing together these two violinist-composers on a disc entirely devoted to their sonatas is therefore an excellent way to assess and appreciate the developments of this genre in Rome in the decades that immediately followed the death of Corelli in 1713.
Mossis drei Sonaten stammen aus seinem Opus 5 (1727) und Opus 6 (1733) – gemäss den Liner Notes von Antonella D’Ovidio die am wenigsten bekannten Werke von Mossi – alle drei sind als Ersteinspielungen markiert. Die drei Sonaten von Montanari seien hingegen seine drei bekanntesten: und vielleicht erinnert sich jemand an die Vivaldi/Pisendel-Geschichte neulich („Intorno a Pisendel“ ist der Untertitel des jüngsten Volumen von Violinkonzerte in der Vivaldi Edition von Naïve, Julien Chauvin hat sie eingespielt, von dem seit gestern auch eine neue alpha-CD hier ist): diese drei Sonaten von Montanari wünschte Pisendel zu kopieren und nahm sie dann mit nach Dresden, nachdem er bei Montanari auch noch Unterricht genommen hatte (1717 in Rom). Mossi nennt sich auf den Titelblättern seiner Werke einen Römer, während Montanari vermutlich in Modena zur Welt und in Bologna ausgebildet wurde, aber 1690 noch jung nach Rom gekommen ist. 1699 taucht er erstmals in Quellen zum Orchester von Corelli auf, 1708 sind dann beide – Mossi und Montanari – im Orchester verbürgt, und zwar für eine Aufführung von Händels „La Resurrezione“ (unter dem Patronat von Francesco Mario Ruspoli – die Orchesterbesetzung wird im Wiki-Eintrag zu Händel erwähnt, der 1707/8 von Ruspoli gefördert wurde und unter dessen Patronat auch ein paar seiner italienischen Kantaten schrieb: eine der Glossa-CDs aus der Gesamteinspielung trägt den Namen Ruspoli im Untertitel).
Die beiden Geiger tauchen in Unterlagen einiger wichtiger Aristokraten und Geistlicher auf, nicht zuletzt beide bei Kardinal Pietro Ottoboni, dem Mossi sein Op. 6 widmete (und davor Corelli seine Trio-Sonaten Op. 4). Für 1717-29 und 1733-37 sind beide als Mitglieder von Ottobonis Orchester bekannt, beide Teil des „Concertino“ und Montanari als „capo degl’instromenti“ – dieselbe Rolle hatte davor auch Corelli inne.
Mossis Werke wurden im 18. Jahrhundert in ganz Europa gespielt, 1716 kam sein Op. 1 heraus (auch Sonaten), im gleichen Jahr taucht er in diversen Sammlungen auf – u.a. neben Valentini oder Vivaldi. Und dann kam eben noch Pisendel ins Spiel, der neben Montanaris auch Mossis Sonaten abschrieb und nach Dresden mit heim nahm. Valentini wiederum – Dichter, Maler und Komponist – war ein grosser Bewunderer Montanaris, den er in einem Gedicht 1708 als „nuovo Achille sonoro“ titulierte („neuer musikalischer Achill“). Zwei von Valentinis Sonaten tragen den Namen „La Montanari“ (eine aus Op. 5 und eine Solo-Sonate aus Op. 8).
Pier Leone Ghezzi hat den alten Montanari portraitiert – und auch so ein Bild ist aufschlussreich, weil es Details wie die Position der linken Hand oder die Länge des Bogens darstellt:
Bild via hier: https://www.snakewoodeditions.com/the-pisendel-montanari-connection/
Bei mir tauchen bisher beide Namen – Giovanni Mossi und Antonio Montanari – gar nicht auf. Daher habe ich hier auch mal etwas ausführlicher über sie geschrieben (und denke mal wieder, dass es eigentlich schade ist, angesichts der schlechten Suchmöglichkeiten, das hier zu versenken – aber was soll’s).
zuletzt geändert von gypsy-tail-wind--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #163: Neuentdeckungen aus dem Katalog von CTI Records (Teil 2), 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba