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thelonicaHier passt vielleicht das Zitat von Jarrett ganz gut, obwohl man da ja nicht so genau weiß, was er alles gehört hatte oder kennt.
Most of the ballads, for example, I know all the words to. I spent a lot of my early years hearing vocalists sing almost everything that I play as a ballad.
darüber haben wir ja schon öfter spekuliert, redbeans hat die anekdote über sonny rollins erzählt, der alle songs mitsingen konnte und das auch von seiner band verlangt, und jarrett legt bei „then i’ll be tired of you“ tatsächlich eine ernsthaftigkeit hinein, die das musikalische material eigentlich gar nicht hergibt – dagegen allerdings der doppelte boden von titel und text, den er halt kennt. @gypsy-tail-wind hat die standards durch spielpraxis kennengelernt, alec wilder beurteilt sie ausschließlich nach musikalischen kriterien (wie weden die harmonien aufgelöst, wie werden wiederholungen vermieden, wie sehr ist das von vorlagen und traditionen entfernt etc. – und da gibt es bei ellington z.b. einen großen reichtum, „sophisticated lady“, „detour ahead“ usw.).
ich habe eine vorliebe für solche songs, in denen eine souveränität ausgedrückt wird, während die musik oder der doppelte boden des textes klarmacht: man hat überhaupt keinen plan. „dann habe ich genug von dir“ klingt nach einer solchen souveränität, aber der text sagt eigentlich: ich werde nie über dich hinwegkommen. oder „i get along without you very well“, ich komme super gut ohne dich klar, und dann kommt „except sometimes“ und da kommen dann viele umschreibungen von „ich komme überhaupt nicht ohne dich klar“. letztlich funktioniert auch „summertime“ so, wenn alles schön und easy ist, aber es gibt halt das „so don’t you cry“, und musikalisch ist das ein blues. vielleicht mag ich das deswegen weniger, weil es musikalisch sofort klar macht, dass man das traurig finden muss – während die urbanen songs immer coolness, schulterzucken, leichtigkeit versprechen und die verzweiflung sehr nah unter der oberfläche angesiedelt ist – und das publikum wird auf die eigene lebenserfahrung angesprochen: ihr wisst schon…
und umso großartiger, wenn man das in instrumentalversionen auch noch transportieren kann. hör dir mal an, was coleman hawkins aus „then i’ll be tired of you“ macht.
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