Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Blue Note – das Jazzforum › Ich höre gerade … Jazz! › Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!
vorgarten
helen merrill, the feeling is mutual (1967)
aufgenommen zwischen mai und dezember 1965, da hatte der drummer pete la roca gerade seine basra-sessions hinter sich und ron carter pause im miles-quintet. man trifft sich zur moderinistischen neubetrachtung von standards, komplett gegen die zeit arrangiert, eben nicht die reduktion der akkorde, den solo-freiflug, die spirituelle aufladung. komplizierte verschachtelung von stimmen, neue voicings, minimalismus. und was nach musikhochschule klingt, gerät völlig lässig. ron carter spielt „a thrill is gone“ nur nach gehör, er kannte das stück gar nicht. merrill schreibt in den liner notes, sie sei ja hier nur eine stimme unter vielen gewesen, so ein quatsch, mehr zentrum geht nicht. das geht zehnmal tiefer als bei den kolleg:innen im raucherstimmen-fach und findet dann noch in alec wilders „winter of my discontent“ einen vergessenen rohdiamanten. für jedes einzelne stück eine referenz-version.
vorgarten
helen merrill, a shade of difference (1968)
mitten in der japanischen phase, in der merrill new york „furchtbar vermisst“, entsteht in new york die fortsetzung zu THE FEELING IS MUTUAL. man könnte jetzt beatles-songs einspielen oder „the creator has a masterplan“, aber merrill & katz denken sich, ach komm, wir nehmen unbekanntes tin-pan-alley-zeug und diese merkwürdigen songs von alec wilder, das will zwar gerade niemand hören, aber marian mcpartland schreibt uns dazu dann schöne liner notes und in über 50 jahren werden die leute immer noch in einem jazz forum darüber schreiben.
… und genau so ist es ja auch gekommen …
Diese beiden Alben waren (als Re-Issue mit andere Covers, hier und hier) meine Erstbegegnung mit Hellen Merrill. Und daher verbinde ich sie vor allem mit diesen beiden Alben. Die sind tatsächlich sehr außergewöhnlich – subtil, fragil und delikat, intellektuell und gleichzeitig sinnlich und gerade daher so prägnant.
Kenne offen gesagt ansonsten auch nicht viel von HM. Das Debut-Album von 1955 (mit Clifford Brown und Quincy Jones als Arrangeur) und Dream Of You von 1956 (mit Gil Evans als Arrangeur). Auch zwei ziemlich großkalibrige Alben, aber deutlich konventioneller. Habe ich auch lange nicht mehr gehört. Tolle Sängerin!
--
“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.” (From the movie Sinners by Ryan Coogler)