Antwort auf: Eels

#11965141  | PERMALINK

jan-lustiger

Registriert seit: 24.08.2008

Beiträge: 10,997

Ich nehme die Eels überhaupt nicht als depressive Band wahr, im Gegenteil: Es geht eigentlich immer darum, über sich hinauszuwachsen, Schicksalsschlägen zu trotzen und allen Widrigkeiten zu Trotz das Positive im Leben zu sehen. Selbst das düstere Electro-Shock Blues endet auf dieser Note: „P.S. You Rock My World“. Das ist keine Musik für Selbstmitleid, sondern Musik, um aus der Krise zu finden. Mich stört eher, wie unsubtil sich diese Dynamik auf jüngeren Eels-Releases wiederholt.

Ich würde gerne ein längeres Plädoyer für Blinking Lights and Other Revelations schreiben, denn das Album bedeutet mir wirklich viel – habe leider nicht so die Zeit für längere, tiefer gehende Texte gerade. Aber der Quasi-Titeltrack „Blinking Lights (for Me)“ schlägt das oben beschriebene Credo ja auch in Stein: Die blinkenden Lichter eines Flugzeugs am Himmel als Code dafür zu lesen, dass das, was dich quält, irgendwann wieder in Ordnung sein wird. („Wenn es soweit ist, werden wir es wissen“, wie Die Heiterkeit singt.) Wichtiger jedoch: Ich finde, es bildet die verschiedensten Facetten des Lebens schön ab, ohne dabei an Köhärenz einzubüßen. Und auch die Länge finde ich dahingehend gerechtfertigt. Kein Qualitätsmerkmal, aber eine Veranschaulichung des persönlichen Stellenwertes für mich: Es war das erste Album, das ich vergangenen Monat nach der Geburt meines ersten Kindes gehört habe.

Ich finde auch, dass sich die Songs auf Electro-Shock Blues, Daisies of the Galaxy und Blinking Lights and Other Revelations den schweren Themen gekonnter nähern als die auf Beautiful Freak, das diese nun wahrlich auch nicht scheut. Gegen ein „Climbing to the Moon“ finde ich „Novocaine for the Soul“ ziemlich plump (wobei „Novocaine“ kein schlechter Song ist, aber vielleicht etwas zu angsty for its own good – und vermutlich auch darum damals so erfolgreich: passte einfach in den Zeitgeist). Und Balladen wie „The Stars Shine in the Sky Tonight“ oder der Titeltrack der Daisies berühren mich auch mehr als „Spunky“ (to be fair: „Manchild“ ist die deutlich bessere Ballade auf dem Album). Nahezu alles, was mir an Beautiful Freak gefällt, hat er später nochmal besser gemacht. Ausnahmen: „My Beloved Monster“ und „Flower“, beide originell und auf unterschiedliche Weise sehr schön.

Allerdings kommen zu diesen beiden Highlights und ein paar soliden bis guten Nummern auch zu viele, in meinen Ohren, Flops hinzu. Braucht irgendjemand, der mal eine Dinosaur Jr.-Platte gehört hat, wirklich den schmalbrüstigen Grunge von „Rags to Rags“ oder „Mental“? Auch „Susan’s House“ gehört für mich dazu, ein Novelty-Song, der uns das bloße Aufzählen banaler, vermeintlich schockierender Beobachtungen als tief blickenden Kommentar in die amerikanische Seele verkaufen will und sein Gladys Knight-Sample mit maximaler Einfallslosigkeit einsetzt: für sich alleinstehend als Ersatzrefrain. Na ja.

Selbstredend will ich niemandem die Platte madig reden. Ich habe es schon immer sehr zu schätzen gewusst, dass Mark Oliver Everett vor allem in seiner ersten Schaffensdekade ein Werk auf die Beine gestellt hat, das trotz eigener Marke so heterogen ist, dass selbst eingefleischte Fans mitunter komplett unterschiedliche Favoriten haben. Schön, dass er so unterschiedliche Musikfans wie uns im Laufe seiner Karriere berührt hat, wenn auch in unterschiedlichen Phasen. (Ich finde auch das oft gescholtene Souljacker absolut großartig, by the way.)

--