Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Soul, R’n’B & Funk › Ich höre gerade: Disco › Antwort auf: Ich höre gerade: Disco
herr-rossi
Wie geht es Dir denn insgesamt mit hohen Männerstimmen? Kannst Du auch Curtis Mayfields „Move On Up“ nicht gut hören? Umgekehrt bereitet mir ja bis heute hohes Gekreische in 70s-Rockklassikern wenig Freude, ich sag nur „Whole Lotta Love“. Eine intrinsische Begründung dafür, warum man das eine liebt und das andere nicht ertragen kann, sehe ich nicht. Es ist vermutlich am Ende doch der musikalische Kontext.
Sylvester war wichtig und mutig mit seiner unverstellten Performance der eigenen Homosexualität, das hat sich damals so deutlich kaum ein Künstler getraut und der Song ist eine Hymne der Selbstermächtigung.
Sorry, ich wollte das gar nicht ignorieren, hatte es nur zwischenzeitlich vergessen. Obwohl ich schon hoffte vom Haken zu sein, in dem ich mir einen Aspekt rausgreife und hinwerfe.
Ich versuche mal, mich einer Antwort zu nähern, das geht aber nicht, ohne offtopic zu werden,´tschuldigung.
Natürlich stimme ich Dir zu, dass die Zu- oder Abneigung zu einem Musikstück nicht nur von einem einzigen Aspekt abhängig ist, sondern von zahlreichen Elementen, die es zu einem Genrestück formen, dass mich mehr oder weniger anspricht.
In meinem natürlichen Habitat gibt es reichlich Sänger mit hohen Stimmen, die ich gutheiße. Der erste, der mir diesbezüglich einfällt ist immer Skip James. Wenn ich zumindest versuche, mich auf den Gesang zu konzentrieren und den Rest auszublenden – was selbstverständlich nur sehr eingeschränkt funktionieren kann -, empfinde ich James‘ Gesang als natürlich und unangestrengt, atmosphärisch als müde, schicksalsergeben bis zur Geisterhaftigkeit, was meinem Geschmack sehr entgegen kommt. Sylvester hingegen (ist das nicht wunderbar, sicherlich das erste Mal in der Menschheitsgeschichte, dass Skip James und Sylvester in einen Atemzug genannt werden. Obwohl der, wie ich las, sich auch von Bessie Smith und Billie Holiday inspiriert fühlte, also vielleicht doch nicht völlig abwegig) kommt mir forciert vor, es klingt für mich fast, als wäre das nachbearbeitet oder wie eine zu schnell abgespielte LP.
Mit Whole Lotta Love, um den Schwenk zum R&R einzuschlagen, hast Du Dir instinktsicher einen Track von meinem All-Time-Alben-Fav rausgegriffen. Ich höre Plant schon noch meist ein wenig tiefer, vor allem aber rauer, grobkörniger und dreckiger, was den Gesangfür mich nicht nur vergleichsweise akzeptabler, sondern attraktiv macht. Und maskuliner. Es ist also eventuell auch der androgyne Ausdruck, der mich stört.
In meiner Jugend war ich übrigens Judas-Priest-Fan und ich höre die frühen Sachen nach wie vor ganz gerne. Dennoch hat sich das etwas abgeschliffen, und das liegt neben weiteren Gründen auch am Gesang. Ich weiß zwar, dass Halford im Metal-Kontext als begnadeter Jodel-Jesus gilt, so und so viele Oktaven, blabla, aber mich strengt das Gekreische trotzdem bisweilen an. Weshalb ich bei Halford damit leben kann liegt daran, dass es hier ein Akzent bleibt, die Stimmlage dynamisch wechselt. Darauf bezog es sich auch, dass ich von „anhaltender Stimmlage“ schrieb, ich höre schon, dass auch Sylvester da verschiebt, aber es bleibt dennoch durchgehend diese hohe Stimme.
Vor ein paar Jahren allerdings habe ich noch einmal versucht mit Uriah Heep warm zu werden. Eigentlich dachte ich, dass das als Deep-Purple-Liebhaber ein leichtes sein sollte, bin aber aus vielerlei Gründen gescheitert. Einer davon war allerdings tatsächlich der von mir als übertrieben empfundene Gesang.
Letztlich bleiben das etwas hilflose Versuche die Frage zu beantworten und die Stimmlage alleine erklärt mein Missbehagen natürlich nicht. Nachdem ich mir You Make Me Feel heldenhaft ein weiteres Mal unter Schmerzen angehört habe (wer will mein Leid ermessen?) würde ich auch noch folgendes anführen: Disco gefällt mir dort am besten, wo für mein Empfinden noch stark auf Soul und vor allem Funk der frühen 70er rekurriert wird. You Make Me Feel scheint mir seiner Zeit fast ein bisschen voraus und schon ein bisschen die 80er vorwegzunehmen, was Glücksgefühlen bei mir ziemlich im Wege steht.
Trotzdem wird mir vermutlich irgendwann ein Track einfallen, der ziemlich ähnlich ist und den ich super finde. Ich kann die Frage letztlich nicht konsistent beantworten. Und eigentlich bin ich da auch ganz glücklich drüber, ich finde gerade einen Mangel an Logik hinter musikalischen Vorlieben und Abneigungen schön, die Freiheit zur Subjektivität, wie ich sie in keinem anderen Lebensbereich finde. I.d.S. provoziere bitte nicht, dass ich mir selbst widersprechen muss, weil Du mich fragst, wieso ich denn bei I Don´t Feel Like Dancing der Scissor Sisters gute Laune bekomme.
Und Move On Up? Das ist wie fliegen und für mich heißer Anwärter für den elegantesten Track der Musikgeschichte. Und sicherlich nicht trotz des Gesangs.
zuletzt geändert von zoji--
Und lieg´ich dereinst auf der Bahre, dann denkt an meine Guitahre, und gebt sie mir mit in mein Grab (Der rührselige Cowboy, D. Duck)