Antwort auf: Ich höre gerade: Disco

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zoji

Registriert seit: 04.10.2017

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Ach, es gibt einen Thread zum Thema …

Sollte ich mit meiner Anmerkung „nicht relevant“ die Diskussion angestoßen haben, beruht das auf einem Missverständnis. Ich fühle mich auch heute in keiner Weise berufen, Disco Relevanz zu- oder abzusprechen. Gemeint hatte ich damit, dass Musik insgesamt für mich als Grundschüler nichts war, was mich beschäftigt hätte. Relevanz hatte für mich Lego, Carrera, Modellbau und Matchbox, Spielzeugknarren, FußballFußballFußball, auch wenn´s wehtut Dieter Hallervorden, und noch so dies und das. Darüber habe ich mir Gedanken gemacht, nicht über Musik, erst recht nicht über den Status von Disco im Verhältnis zu anderer Musik.

„Hedonismus“ und „Spaß“ sind natürlich genau die Inhalte, die dann in meiner Jugend verpönt waren.  Da sollte Musik irgendeine darüber hinausweisende Bedeutung haben. Das meinte ich auch damit, dass sich meine Perspektive geändert hat. Es dauerte aber mindestens bis in meine Mittzwanziger, eher etwas länger, dass ich die Idee, Musik dürfe auch mal drei, vier Minuten oder auch eine ganze Nacht lang einfach nur Spaß machen, nicht nur als legitim, sondern gar wünschenswert anerkannte.

Kommerzialisierung war natürlich ein weiterer wesentlicher Aspekt der Ablehnung. Die von friedrich und rossi skizzierte Herkunft ist mir bekannt, dennoch schwanke ich immer ein bisschen, Disco mal als natürliche Evolutions-, dann wieder eher als kommerzialisierte Schwundstufe von Soul, Funk und anderen Einflüssen wahrzunehmen. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich die wirklich ersten Disconummern gar nicht kenne, weil sie noch keine großen Hits waren? Unabhängig davon, ob Disco in der Baumstruktur, in der ich mir Musikgeschichte vorstelle, ein Ast oder ein Zweig ist, ist mir aber nicht klar, inwiefern sich diesbezüglich hier überhaupt etwas besonders spezifisches abgespielt haben soll. Für mein Empfinden hat jede halbwegs erfolgreiche Musik der letzten 100 Jahre, selbst wenn der Erfolg auf Nischen beschränkt blieb, auch kommerzielle Triebe ausgebildet. Stört mich auch nicht mehr. Früher stellte ich mir Kommerz vs. lautere Kunst als dualistisches On/Off vor, inzwischen sehe ich darin eher einen gigantischen stufenlosen Dimmer. „Kommerz“ als Kampfbegriff zur pauschalen Negierung künstlerischer Qualität und Integrität nehme ich daher heute auch eher als formelhaften und ausgebrannten Reflex wahr.

Tina Charles ist schon nett, weiß gar nicht, ob das auf meinen Trash-Samplern enthalten ist. Würde ich aber auch nicht sonderlich vermissen. Einerseits identifiziere ich das natürlich sofort als „irgendwie Disco“, andererseits fehlt es dann doch an Druck und Funky- und Sexyness, gelegentlich an der Grenze zur Pornösität, die ich damit verbinde. Im Funk-Thread verlinkte friedrich neulich zu „Boogie Nights“, das passt für mich perfekt. Charles fällt so in die Kategorie niedlich. Sie strahlt aus „ich kuschel gerne mit meinem Boyfriend“, im Vergleich gibt sich George McCrae zwar immer noch sanft, aber mit einem deutlichen Unterton von „ouh, ich habe heute noch Geschlechtsverkehr“. Jenseits des Nostalgiefaktors stehen die beiden von soulpope eingestellten Tracks für mich daher auch viel deutlicher für meine Vorstellung von Disco.

Aber nochmal, ich quatsche hier nur so rum auf Basis von Kindheitserinnerungen, Kenntnis der Smash Hits und zweier Billig-Compis.

Ich schließe mal mit meinen beiden Lieblings-Quasi-Disco-Tracks eines der Herkunft nach Non-Disco-Acts. I love to love.

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Und lieg´ich dereinst auf der Bahre, dann denkt an meine Guitahre, und gebt sie mir mit in mein Grab (Der rührselige Cowboy, D. Duck)