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Bevor ich mich am Wochenende für eine Woche an die Ostsee verabschiede hier noch zwei jazzige Fußnoten der 90er Jahre:
Joey Baron – Tongue in Groove (1991)
Joey Baron lief uns hier bereits mehrmals über den Weg als Sideman von Dave Douglas, Uri Caine und Bill Frisell. Und er wird uns noch ein paar mal mehr über den Weg laufen. Hier aber Joey Baron als Bandleader. Besetzung: Joey Baron – drums, Steve Swell – Trombone, Ellery Eskelin – Tenor Sax. All acoustic, all life, no mix, no edit steht im Booklet. Das klingt wie eine Mischung aus Brass Band und Ornette Coleman im Kinderzimmer, aber total kompakt und präzise, es wird richtig auf die Pauke gehauen und Dampf gemacht. Und dann schmuggelt Baron unter seine Originalkompositionen auch zwei Standards (Shadow Of Your Smile und I Want A Little Girl), wo es fast sentimental wird.
Habe ich jahrelang nicht gehört und ist auch wirklich nichts für alle Tage. Aber ich möchte darauf mit seiner Originalität, seiner Direktheit und seinem Witz nicht verzichten.
Medeski Martin And Wood – Shack-man (1996)
Auch dies ist ein Trio, aber ganz anders, Besetzung Keyboards, Bass und Drums. Aufgenommen in einer Hütte auf Hawaii – daher der Titel des Albums. Und auch dies klingt reduziert, wie erst im Entstehen, noch ein bisschen unfertig. Manchmal nur ganz einfache Riffs und grooves. Wie Demoaufnahmen, bei denen später noch etwas ergänzt werden soll. An einer Stelle dachte ich: Das klingt fast wie ein Outtake von On The Corner!
Ich kenne mehrere Alben von MMW (habe aber nur zwei davon) und irgendwie ist mir Shack-man das liebste. Das ist einfach, spontan und entspannt, lässt vieles offen und damit Raum für Phantasie und macht Spaß. Haben MMW auf späteren, sicher aufwändiger produzierten Alben, nie mehr so hingekriegt. Oft sind die Skizzen ja lebhafter als das fertige Bild.
Hier der On The Corner-Outtake (ab ca 1:35, oder?), noch ohne Miles‘ Trompete :
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)