Antwort auf: Culture Wars, Kulturelle Aneignung, Identitätspolitik, Wokeism …

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latho
No pretty face

Registriert seit: 04.05.2003

Beiträge: 37,712

nicht_vom_forum

lathoUnd jetzt noch ein paar Worte zu den Reizwörtern: […]

@.latho: Danke! Vielleicht der einzige Punkt, an dem ich mich nennenswert anders positionieren würde: Für die Begriffe „Genozid/Völkermord“ halte ich eine offenere und umfassendere Definition, die nicht nur auf die Deutschen 1940-45 beschränkt ist, für sinnvoll und berechtigt.

 
So wollte ich es auch nicht verstanden wissen: Natürlich ist das eine Definition, die andere Genozide erfasst und nicht nur die Shoa. Sie ist bloß enger als das, was aktuell inflationär verwendet wird.

bullschuetz@latho
Danke für Deinen Aufschlag zu May, alles richtig – und völlig klar: Bei allem, was sich gegen ihn einwenden lässt, sind sein Pazifismus (der ja sogar dazu führt, dass Old Shatterhand nur ins Knie schießt), seine Bereitschaft zur Kritik an weißer Habgier und sein unmachohaftes, um nicht zu sagen genderfluides Männerbild klare Pluspunkte. Die Frage ist halt nur: Ergibt es Sinn, heute noch neue Geschichten für Kinder auf diese Märchenwelt der Apachen zu gründen, die in Wahrheit eben aus Verfolgung, Tod, Deportation (und, ja, auch das, bizarr grausamer Gegengewalt und erlesenen Foltermethoden) bestand? Es gibt halt nur einen einzigen Grund, heute noch an diese Winnetou-Welt anzudocken: kommerzielle Erwägungen. Nicht verboten! Aber hinterfragenswert.

Natürlich. Und kritikwürdig. Aber nicht per se verboten. Wie geschrieben: Ich fände es albern, in einem Kinderbuch Mord und Vertreibung in den Mittelpunkt zu stellen, dazu sind in meinen Augen Kinderbücher nicht geeignet, dazu war auch die Figur Winnetou nicht erfunden oder geeignet.

bullschuetz
Genozid: Auch der Verweis auf andere Völker, die im Lauf der Geschichte ausgerottet wurden, ohne dass groß jemand von Völkermord redet, überzeugt mich nicht. Mich treibt hier weniger die Sorge um, dass der Begriff inflationär verwendet werden könnte, als vielmehr der Verdacht, dass die weitgehende Ausrottung der indigenen Bevölkerung noch immer nicht ins allgemeine Bewusstsein gedrungen ist.

Umgekehrt wird ein Schuh draus: den Begriff „Genozid“ verwenden, um das Morden in und an Völkern zu umfassen. Aber warum, denn es gibt es da genügend Begriffe. Und der Grund für das Morden tritt in den Hintergrund, ebenso wie die staatliche Planung, wenn man beispielsweise die Shoa mit der Versklavung (und dem massenhaften Tod durch Arbeit) in der Karibik gleichsetzt.
Die Spanier des 15./16. Jhds, die damals da ankamen, waren wahrscheinlich die schlechtmöglichste Begegnung für die Ureinwohner: Seit Jahrhunderten tobte ein erbitterter Kampf gegen die Moslems (Araber, Osmanen etc pp), die wenigen moslemischen Besitzungen auf der Iberischen Halbinsel, die es zeitweise noch gab, waren da unwichtig. Der Kampf spielte sich im Mittelmeer ab und wurde ohne Gnade geführt: Gefangene eines anderen Glaubens wurden versklavt und in den Galeeren innerhalb kürzester Zeit zu Tode gearbeitet – das geschah durch Moslems wie durch Christen (wobei die vor allem die osmanischen, aus den aus Spanien vertriebenen Moslems rekrutierten Piraten die größeren Erfolge hatten), auf der einen Seite vom Sultan sanktionierte Freibeuter, auf der anderen Seite verschiedene christliche Nationen wie Spanien, Genua etc und die Ex-Kreuzritter auf Malta. Als die Spanier in die Karibik kamen, sahen sie also erstmal Heiden und damit billige „Arbeitskraft“. Das macht nichts besser, das entschuldigt die Hidalgos auch vor der Geschichte nicht, aber es erklärt ihr Handeln. Das etwas anderes ist als ein auf Ressentiments gegründetes Wahnkonstrukt, das eigentlich völlig atavistisch war, aber einen industriellen Staat dazu brachte, innerhalb von Rekordzeit Millionen von Menschen zu vernichten – manchmal durch Arbeit, aber im Normalfall, weil man sie einfach von der Erde getilgt sehen wollte. There’s a difference.

bullschuetz
Zugegeben frivoles und auch überspitztes Gedankenspiel:
Was würden wir von einem Kinderfilm halten, in dem ein jüdischer Junge und sein arischer Freund allerhand aufregende Abenteuer im Deutschland der 30er/40er-Jahre erleben?
Ich denke, es ist offenkundig, dass so etwas vollkommen indiskutabel wäre. Weshalb soll hingegen jeder, der bei einem schnuckeligen Apachenfilm ob des realen brutalen Leidens dieser Menschen ein schlechtes Gefühl hat, ein Spielverderber sein?

Warum sollte das kein Film/Buch/sonstwas werden, das finde ich vom Thema her nicht so abwegig, solange die Judenverfolgung nicht geleugnet wird.
Wie geschrieben: Man sollte die Kultur(en) der Indianer nicht als einziges Leiden und Martyrium sehen, die werden auch ihren Spaß gehabt haben. Und über den kann man schreiben.

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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.