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bullschuetz@latho Danke für die Begründung nebst Quelle zum Thema Genozid. Ich verstehe das Argument, möchte ihm aber nicht folgen. Ich kann auch nicht recht begreifen, wie Lewy nach seinem eigenen Kapitel IV noch zum Ergebnis kommt, dass es sich nicht um Genozid handle. Aber sei’s drum. Wie auch immer man es nennen mag und wie auch immer man das Mischungsverhältnis zwischen völkermörderischer Intentionalität und seuchenbedingten Kollateralschäden bestimmen will – dass es sich um eine monumentale Leidensgeschichte und ein Massensterben der indigenen Bevölkerung handelte, bleibt ja unbestreitbar. Und dieses Elend kam in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem elenden Abschluss, dieses halbe Jahrhundert war ja ein einziges langes Rückzugsgefecht einer dem Untergang geweihten Kultur, hierher gehören auch die Apachenkriege, endend mit Tod oder Deportation der Männer, Frauen und Kinder der Apachen. Genau in dieser Zeit hat Karl May seinen Winnetou angesiedelt, was aus heutiger Sicht schräg genug ist. Aber an Karl May will ich nicht rumkritteln, Glanz und Elend dieses Kerls wären einen eigenen Thread wert. Haargenau in dieses historische Panorama indes heute noch mal so eine Winnetou-Geschichte zu setzen, ist halt schon eine sensationelle Ignoranz, eine gewaltige Achtlosigkeit gegenüber der Leidensgeschichte der Apachen zwischen 1850 und 1900 und auch eine brachiale Ignoranz gegenüber all den vielen mittlerweile geleisteten künstlerischen, filmischen, literarischen Versuchen, dieser Zeit gerecht zu werden, von Walter Hill Geronimo-Film bis Alvaro Enrigues grandiosem Buch oder zuletzt „Hostiles“ mit Christian Bale. [nachträgliche Korrektur: in Hostiles geht es um dieselbe Zeit, aber um Kommantchen]
Dass die Apachen [und andere] für ihre Grausamkeit im Krieg berühmt waren, gehört durchaus auch zum ganzen Themenkomplex und bleibt in den drei oben genannten Beispielen ja auch nicht ausgespart. Aber domestiziert wird in solchem Winnetou-Pillepalle von heute eben das ganze Entsetzen jener Zeit. Ein Grund, um das Zeug zu canceln? Nein. Aber ein Grund, den Machern so einen Pfusch argumentativ, im Medium der gut begründeten Rezension, um die Ohren zu hauen. Das vertrete ich ja seit den Anfangsseiten dieses Threads: Nicht das Verbot oder die Tabuisierung oder das Canceln sollte hier das Mittel der Wahl sein, sondern der Verriss.
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