Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!

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gypsy-tail-wind
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Freddie Redd – Lonely City | Freddie Redd kam und verschwand wieder, wenn er in den USA war, lebte er meist in Nordkalifornien, das auf der Jazzlandkarte keine grosse Rolle spielt. Das späte Revival dank zwei AUD-Aufnahmen von Konzerten, die von Fans und Unterstützern organisiert wurden und von Brad Linde auf seinem Label Bleebop veröffentlicht wurden, war nicht das einzige. Das fiel auch mit der „Wiederentdeckung“ von Butch Warren zusammen, dem Co-Leader auf dem einen dieser Redd-Alben. Warren starb dann ja bereits im Herbst 2013 (und das eigentliche Comeback-Album erschien in Frankreich), Redd erst im März 2021, und danach kamen wohl erst die Pläne auf, die Mitschnitte zu veröffentlichen. Nach den Blue Note-Alben folgte 1971 eins für Marge/Futura, in den späten Siebzigern gibt es was auf Interplay (Solo und im Trio mit Henry Franklin/Carl Burnett – kenne die Aufnahmen leider beide nicht) – Redd lebte von Ende der Sechziger an bis 1974 in Europa, vor allem in Paris und in Amsterdam. Danach folgten 1989 die Mosaic-Box mit den drei Blue Note-Alben (das letzte wurde darin zum ersten Mal veröffentlicht) und im selben Jahr ein neues eigenes Album, „Lonely City“ auf Uptown, schon im Januar 1985 bei Van Gelder aufgenommen. Warum das so lange nicht veröffentlicht wurde, weiss ich nicht, denn es ist sehr in Ordnung. Don Sickler hat die Musik wie üblich sehr umsichtig arrangiert, mit „Thespian“ ist auch eine bekannte Nummer dabei, wie die fünf weiteren Stücke von Redd komponniert. Sickler spielt auch die Trompete (und hat ein paar ganz gute Momente), Clarence „C“ Sharpe (as) und besonders Clifford Jordan (ts) sind aber die massgeblichen Solisten neben dem Leader, der ja oft eher verwaltet. Das Barisax von Gerry Cappuccio (so weit ich sehe einer dieser Studio-Cracks-Alleskönner) rundet die Arrangements ab, dass ein Stück „Had Tadd in Mind“ heisst, passt (wobei Damerons Frontline meist aus tb/as/ts/bari bestand, ausser wenn grad Fats Navarro dabei war). George Duvivier und Ben Riley braucht man nicht weiter vorstellen.

Freddie Redd – Live at the Studio Grill | Im Trio ist es dann mit verwalten nicht mehr getan und Redd spielt ziemlich gut auf auf diesem Live-Mitschnitt von zwei Abenden im Mai 1988 im Studio Grill in Hollywood (1990 auf Triloka veröffentlicht), einem Club, in dem Redd über lange Zeit auftrat. Begleitet wird er von Al McKibbon und einem formidabel aufgelegten Billy Higgins, es gibt ein drei Originals von Redd, „Round Midnight“ und „I’ll Keep Loving You“ von den beiden grossen Vorbildern, sowie „I’ll Remember April“, „For Heaven’s Sake“ und „All the Things You Are“. Obwohl hier von Redd dem Pianisten viel mehr zu hören ist, ist das von den drei Alben für meine Ohren das schwächste – so interessant ist er als Solist nicht, seine Kompositionen und die besonderen Stimmungen, die sie heraufbeschwören, lebten ja auch auf den Blue Note-Alben bereits stark von den Beiträgen von Jackie McLean und Tina Brooks.

Freddie Redd – Everybody Loves a Winner | Das eindeutige Highlight dieser Trilogie ist dann das letzte der Alben, im Oktober 1990 in den Fantasy-Studios eingespielt, 1991 von Milestone veröffentlicht. Hier gibt es wieder Bläser, und darunter ist mit Teddy Edwards einer, den ich immer gerne höre (und auch praktisch alles unbesehen kaufe, wenn er mitwirkt). Curtis Peagler spielt das Altsax, Phil Ranelin die Posaune, die Rhythmusgruppe ist dafür weniger illuster: Bill Langlois (b) und Larry Hancock (d). Es gibt hier mit „Melancholia“ eins dieser Tongemälde, wie nur Redd sie schreiben konnte (ein Remake aus der BN-Zeit), das Titelstück ist in einem Basie-Groove (und der Mann aus Red Bank ist auch keine schlechte Referenz, wenn es um Redds Piano-Stil geht, dünkt mich). Ich weiss jetzt nicht, ob man schon von Spätwerk reden darf (er war Anfang 60 und hatte noch 30 Jahre vor sich) – aber das ist nach den Blue Notes für meine Ohren eindeutig Redds stärkstes Album.

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba