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Zwischen Kansas City und Wynton Marsalis gehört eigentlich noch diese Nostalgiestunde. Hier in der Runde wahrscheinlich gut bekannt:
Charlie Haden / Quartet West – Haunted Heart (1992)
Nostalgie ist hier Programm! Charlie Haden vertont ein mythisch und romantisch verklärtes Los Angeles der 40er/50er Jahre. Das Album beginnt mit der Musik, die im Vorspann von Warner Bros. Filmen lief und geht dann in den Soundtrack von John Hustons The Maltese Falcon über. Das Quartet spielt Stücke von Lennie Tristano, Charlie Parker und Glenn Miller, das Thema des Films The Bad And The Beautiful (dtsch: Stadt der Illusionen) und einige Eigenkompositionen. Dazwischen Gastauftritte der Sängerinnen Jo Stafford, Jeri Southern und Billie Holiday mit historischen Aufnahmen aus der Plattensammlung von Charlie Haden. Das Cover zeigt LA auf Postkarten aus den 40ern, im booklet am Ende eine Passage aus einem Roman von Raymond Chandler. Das Album ist „directed“ by Charlie Haden, „conceived (…) as if it were a film telling a story“.
Das gelingt ganz wunderbar, wirkt wie ein Soundtrack zu einem imaginären Film, hat eine schöne Dramaturgie, erzeugt eine geheimnisvoll nächtliche, coole und elegante Atmosphäre und umhüllt den Hörer. Ohne dass er sich in den Vordergrund drängt ist der Saxofonist Ernie Watts mit seinem melodisch und geschmeidig fließenden Spiel der Hauptdarsteller.
Ulkig: Das Album wurde in Frankreich aufgenommen und veröffentlicht und in San Francisco gemixt. Charlie Haden (Jahrgang 1937) kam erst 1957 nach Los Angeles. Er hat das LA der 40er und 50er also größtenteils auch erst aus der Rückschau kennengelernt. Aber aus der Distanz werden ja meist die schönsten Mythen geboren.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)