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Wynton Marsalis Septet – Citi Movement (Griot New York) (1993)
Von den Nostalgikern zu den Traditionalisten.
Wynton Marsalis hat Citi Movement als Musik für ein Ballet in drei Akten geschrieben. Mit einer Gesamt-Spielzeit von gut 2 Stunden ist das ein ganz schöner Brocken.
Die Musik ist szenisch aufgebaut und folgt der Dramaturgie des Ballets. Das ist, ohne das Ballet zu sehen, naturgemäß nicht immer leicht nachvollziehbar. In einigen Stücken gibt es alle paar Takte abrupte Themen- und Tempowechsel. Als würde man mitten in der Großstadt stehen, um die eigene Achse rotieren und nach jedem Lidschlag eine völlig andere Szene erleben. Über die gesamte Spielzeit macht mich das völlig meschugge und ich weiß am Ende nicht mehr, was ich am Anfang gehört habe. Naja, der erste Akt heißt ja auch Cityscape und das erste Stück daraus Hustle Bustle …
Leichter verdaulich wird Citi Movement, wenn man die drei Akte einzeln hört – jeweils auch schon ca. 40 Minuten. Dann bleiben kleine Motive hängen und man kann sich überhaupt erst auf längere Stücke mit durchgehendem Thema einlassen. Dark Heartbeat, Marthaniel, Spring Yaoundé, High Rise Riff und Swingdown, Swingtown sind schon toll und das kurze, erst nur gesummte, dann nur von den Bläsern gespielte I See The Light ist zauberhaft. Natürlich alles von Marsalis’ Septett virtuos und glasklar gespielt.
Stanley Crouch nennt in den liner notes Ellingtons Black, Brown & Beige und Anatomy Of A Murder, Mingus Ah Um und Coltrane als Referenzen. New Orleans und Kansas City hört man aber auch raus.
Wenn man das Faltblatt des Covers ganz ausbreitet, sieht man das obige Foto von der mir bis dahin unbekannten Berenice Abbott, wie nur im Kleingedruckten der Credits erwähnt wird. New York City bei Nacht in den 30ern. Da will ich hin!
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)