Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!

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gypsy-tail-wind
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Frank Morgan – Love, Lost & Found | Nächste Station war dann TelArc, wo Morgan aber nur zwei Alben herausbrachte. Back to Bebop, gewissermassen, hier mit einer gradlinigen, exzellenten Band. Der Fokus liegt ganz auf alten Klassikern und Balladen: „Skylark“, „The Nearness of You“, „My One and Only Love“ usw., Jobim und die Bossa Nova sind mit „Once I Loved“ auch wieder vertreten, da und dort drückt auch der zuletzt verborgener gebliebene innere Charlie Parker wieder deutlich durch, z.B. im schnelleren „What Is This Thing Called Love“. Morgans Ton klingt etwas runder, satter, voller als auf den drei Antilles-Alben, was ihn irgendwie auch eine Spur konventioneller wirken lässt, aber diese kleinen Schattierungen, die Intonation – das ist natürlich alles noch da und weiterhin unverwechselbar. Die Band ist der pure Luxus und macht ihre Sache gut, aber es fehlt halt etwas der Überraschungseffekt, den es auf den drei Alben, die ich gestern hörte, immer wieder gibt. Aber klar, „All the Things You Are“ im Duo mit Ray Brown: das ist schlichtweg super, die schiere Perfektion in Sachen Kontrabass mit Wumms, aber eben auch mit grössten melodischen Qualitäten – und da scheint dann auch der brüchigere Ton von Morgan wieder auf.

Frank Morgan – Bop! | Für die zweite Runde – nun mit eindeutig sprechendem Titel – trommelte TelArc nicht etwa nochmal so eine Luxus-Band zusammen sondern holte Rodney Kendrick und Curtis Lundy (auf dem Closer von Ray Drummond ersetzt) ins Studio, dazu den langjährigen Drummer von Barry Harris, Leroy Williams (der am 1. Juni verstarb, wie ich grad bei Wikipedia lese). Williams spielt ein relativ luftiges Schlagzeug, irgendwo bei Pete La Roca und Walter Perkins anknüpfend, dünkt mich. Das passt gut zum schweren Bass und dem dichten Klavier, die schon im zweiten Stück, Monks „Well, You Needn’t“ recht wuchtig daherkommen. Das sorgt für ordnetlich Reibung und macht die Angelegenheit schnell spannend, obwohl Morgan – verständlich angesichts des Repertoires – da und dort in seine Parkerismen flüchtet. Von Parker selbst ist der „K.C. Blues“ zu hören (mit einem tollen Solo von Kendrick), zudem „Lover Man“ (auch da ist Kendrick irre gut!), ansonsten John Lewis („Milano“), mehr Monk („Blue Monk“, „52nd Street Theme“ – ist das von Monk? Hier wird’s ihm zugeschrieben), Miles („Half Nelson“) und Dizzy Gillespie („A Night in Tunisia“). Die Stücke – es gibt ihrer acht – sind teilweise sehr lang („Half Nelson“ mit 11:21 das längste, zwei weitere kratzen an der 10-Minuten-Marke), was ich auch einen Vorteil gegenüber dem unmittelbaren Vorgänger finde: viel Raum für ausgedehnte Soli – übrigens auch von Lundy am Bass. Im Vergleich zum Vorgänger hat das viel mehr Bruchlinien, klingt aber alles in allem immer noch relativ glatt – was auch am Label und seiner Produktion zu tun hat, die eben grad komplett versiegelt klingt, alles perfekt, warm und schön, aber eben auch irgendwie etwas hermetisch. Produzent beider Alben ist weiterhin John Snyder, der auch die Antilles-Alben verantwortete, Toningenieur beim ersten Michael Bishop (Conway Studios, Hollywood), beim zweiten Jack Renner, Clinton Recording, NYC). Das Album mit Kendrick

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: Johnny Dyani (1945–1986) - 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba