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Frank Morgan – A Flower Is a Lovesome Thing | Bei mir ging es gestern Abend mit Frank Morgan weiter. Das Antilles-Debut von Morgan fehlt mir noch, aber hier sind wir dafür dann tatsächlich in den Neunzigern angekommen – und der Labelwechsel scheint einiges auszumachen: die Musik klingt stärker, fokussierter, konzentrierter irgendwie – das „coasting“, das Morgan auf den Contemporary-Alben zur Überbrückung zwischen der „Zone“ jeweils braucht, scheint hier praktisch komplett wegzufallen: er setzt sein Saxophon an und es kommt vom ersten Ton an unverkennbar der späte Frank Morgan heraus. Ein feiner Ton, in seiner Bittersüsse ein wenig an Paul Desmond erinnernd, in den Linien agil, irgendwie dehnbar, und sehr bescheiden wirkend … eine unverkennbare Stimme, die aber gar nichts Auftrumpfendes oder Überwältigendes hat. Dazu hervorragend gewähltes Material, nach dem kurzen aber unglaublich schönen Opener „When You Wish Upon a Star“ folgt „Footprints“ von Wayne Shorter, das erste Stück mit dem Gast Roy Hargrove, der hier in einen Groove gerät, der direkt von Hancocks „Maiden Voyage“ oder „Empyrean Isles“ zu kommen scheint. Direkt danach das nächste Highlight mit „Ten Cents a Dance“, dem ersten von zwei Gastauftritten von Abbey Lincoln (sie singt dann auch noch „Wholly Earth“, hier als „Wholey Earth“). Ein Monk-Cover ist auch dabei („Pannonica“), eine klasse Version von „Everything Happens to Me“ (mit Hargrove – fast hätte ich Hubbard getippt). Der Mann am Klavier ist der (von mir zumal) ewig unterschätzte George Cables, der auch zwei Stücke mitbringt, „Helen’s Song“ (das dritte mit Hargrove) und den Closer „Lullaby“, der sich mühelos auch in den offeneren Gefilden von „Footprints“ zurecht findet und überhaupt einen besonderen Sound beiträgt hier. Weniger auffällig aber sehr kompetent agiert die Rhythmusgruppe: David Williams am Bass (ihn kenne ich v.a. von Cedar Walton) und Lewis Nash. Und klar, auch diese Antilles-Alben hat Jay Newland aufgenommen, der Sound ist wärmer, und irgendwie gerichteter als davor bei Contemporary (wo immerhin Richard Bock und Orrin Keepnews involviert waren).
Frank Morgan – You Must Believe In Spring | Zweite Runde: das seltsame Solo/Duo-Album (1992 aufgenommen und veröffentlicht). Fünf Pianisten, jeder spielt ein unbegleitetes Stück, quasi um Frank Morgan den Teppich auszurollen, der dann für ein, manchmal zwei Stücke dazu kommt. Dass das an zwei aufeinanderfolgenden März-Tagen aufgenommen werden konnte, war wohl auch nur in New York möglich, denn die Pianisten sind, der Reihe nach: Kenny Barron, Tommy Flanagan, Barry Harris*, Roland Hanna und Hank Jones* (*zwei Stücke im Duo). Interessanterweise funktioniert das trotz des seltsamen Konzept bestens als Album, bei mir stellt sich beim Hören der Effekt ein, dass ich mich auf den nächsten Mann an den Tasten freue, weil die alle ihren eigenen Touch haben und für ein paar wunderbare Überraschungen sorgen. Am liebsten mag ich wohl die Stücke mit Barron, Harris und Jones, aber zu den Highlights gehört auch „Enigma“, ein karges aber wunderschönes Hanna-Original. Ansonsten „Embraceable You“ mit Harris, Legrands „You Must Believe in Spring“ mit Jones, „You’ve Changed“ mit Barron … auf den kleinen Fotos im Booklet trägt Morgan übrigens drei Outfits, eins für Harris, eins für Flanagan und Barron und eins für Jones und Hanna – vielleicht gab’s an einem Tag zwei Sessions, keine Ahnung?
Frank Morgan – Listen to the Dawn | Runde drei, die ich gerade wiederhole – das ist eine Überraschung: eine Art Bossa/Balladen-Album mit Kenny Burrell (drei Duos), Ron Carter und Grady Tate (fünf Quartette). Los geht es mit Burrells Titelstück im Duo, einer Art Bossa, es folgen Carl Perkins‘ „Grooveyard“ im Quartett, Burrells nächstes Original „Remembering“ und dann Carters „Little Waltz“. Mit Carter – dem ich mich in letzter Zeit wieder angenähert habe – tue ich mich hier teils wegen des Sounds, teils aber auch wegen seines Spiels hier und dort ein wenig schwer. Die zweite Hälfte öffnet „It Might as Well Be Spring“ im Duo und dann dem Klassiker „When Joanna Loved Me“ (Robert Wells/Jack Segal), in den USA wohl ein von vielen älteren Weissen sehr geliebtes Stück, wie ich bei den Konzerten von Braxton im Januar 2020 gelernt habe. Es folgt wieder Ellington (auf „You Must Believe“ ist zum Ausklang „Come Sunday“ zu hören, auf „A Lovesome Thing“ natürlich Strayhorns „A Flower Is …“) mit „I Didn’t Know About You“ (auch wieder über einen Bossa-Beat), und zum Ausklang, zum letzten Mal im Duo, „Goodbye“ von Gordon Jenkins.
Das sind drei sehr, sehr gute Alben – ich würde keines als (verlorenes) Meisterwerk betrachten, aber nah dran sind sie alle.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: Johnny Dyani (1945–1986) - 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba