Antwort auf: jazz in den 1990ern

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vorgarten

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gypsy-tail-windDMehldaus Text (dass es seiner ist, wird oben hoffentlich klar?) ist ironisch, in vielerlei Hinsicht gebrochen, als (semi-)sokratischer Dialog aufgebaut, ich lese da eine grosse Lust und Freude am Wortgefecht heraus. Sprachliche wie moralische Kritik prallen daran (und am Label) ab. Wenn, müsste die Kritik auf einer ganz anderen Ebene angesetzt werden, auf einer Ebene der Ästhetik und des allgemeinen Kunstverständnisses.

so lese ich das auch. mir scheint das rollenprosa zu sein, gebaut um idealisierte (bzw. zugespitzte) positionen, um dazwischen oder davor eine position zu markieren, in der man wieder hoheit über die eigene praxis gewinnen kann. mir scheint das aber in fast alle richtungen zu kurz gedacht, das habt ihr beide ja schon zusammengetragen. natürlich ist jarrett für mehldau eher vorbild als gegenposition, wenn der überhaupt etwas ideologisiert, dann ist das doch genau die „reine musik“ als naturgewalt, zu der mehldau ja auch hin will. dass jarrett es sehr schnell nicht mehr nötig hatte, sich mit jüngeren musikern auseinanderzusetzen, wurmt diese natürlich, ich verstehe das auch, aber woanders lässt sich mehldau ja schon mit aussagen zitieren, dass BREMEN/LAUSANNE ein wichtiger früher einfluss auf ihn war. interessanterweise hat ja auch branford marsalis sehr viel wertschätzung für jarrett, sein „likief“ heißt ja eigentlich „like keith“, kirkland hat ihn darauf gebracht, viele der langen, organisch fließenden improvisationen von branford in den 90ern haben viel mit jarrett zu tun.

was mich an mehldaus sokratischer denkübung stört, ist, wie gypsy ja schon anmerkt, die farbenblindheit darin, klar kann man die marsalis-ideologie auch einen geografisch fixierten chauvinismus nennen, aber das ist schon sehr böse, wenn es um race geht und mehldau sein weißsein nicht reflektiert (er hätte wahrscheinlich eine kleinere fanbase, wenn er kein weißer, hübscher, leicht unkonventioneller schöngeist wäre). auch seine auswahl an deutschen romantikern und klassizisten hält genau die wage zwischen bildungsbürgerlicher sicherheit und queerer dekonstruktion, am ende soll da irgendetwas einfacheres stehen (die alte naturgewalt), aber das könnte er sich auch einfacher machen, wenn er einfach sagen würde: herrgott, ich spiele jazz in einem klaviertrio, findet euch damit ab, mir ist bill evans egal, wir haben eher praktischere fragen nach ausweitung der harmonien im spiel, wir haben keine zeit, uns permanent an irgendwelchen traditionen abzugleichen…

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