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Anonym
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gypsy-tail-wind
Mit dieser Interpretation habe ich lange etwas gefremdelt, wie ich überhaupt immer Brahmsfremdelzeiten habe – obwohl ich die kurioserweise gar nicht will. Als ob ich bei ihm etwas suchen wolle, was bei ihm nicht zu finden ist. Vor ein paar Wochen habe ich sie wieder angehört, die Einspielung, und zwar rauf und runter. Pathos – kommt mir da auch eher wenig in den Sinn, nicht jedes Vibrato ist Pathos; ich mag auch gar nicht so sehr das „Pathos der Distanz“ von Nietzsche zur Aushilfe bemühen, weil es in seinem Gebäude einen bestimmten Backstein bedeutet – aber es ist wohl das, was man mit Kühle benennen könnte – oder mit der Wärme und Geläutertheit des fernen Blicks, der dennoch eindringt. Okay, wieder zu blumig gesprochen. Grumiaux, das formuliere ich jetzt einfach mal für mich so, bleibt eine Aufgabe, die immer mehr – für mich – gelöst wird, immer ein Schrittchen. Pathos bei ihm – ich glaube, am ehesten in den Violinsonaten von Bach, mit Christiane Jaccottet am Cembalo. Großes Rauschen. In den Sonaten für Solovioline würde ich ihn zunächst dem frühen Kremer (die zweite Einspielung von Kremer hat dann Pathos!, und ich weiß nicht, ob das für meine Ohren ist, aber wohl am Ende doch) beigesellen, aber – distanzierter. Die zweite Anknüpfung ist für mich bei Kremer, früh, Heifetz, obwohl Kremer vom „Anderen“ kommt, Oistrach. Wie dem sei. Grumiaux spielt Brahms mit breitem Strich, zügig, als wisse er genau, was er tut – und das zu hören oder meinen zu hören – ist eine wohlige Sache, die den Bauch streichelt. So geht es mir bei Grumiaux auch bei Mozart mit Colin Davis, und Szeryngk mit Gibson sind da tatsächlich schneidender. Zwei Sichtweisen auf derselben Seite der Münze aber, falls es das gibt.
Ja, ich finde also Eure Unterhaltung sehr interessant! Szigeti, Haendel, ein großes Ja. So unterschiedlich sie sind. Niemand schrammelt so sehr auf scheinbar drei Violinen gleichzeitig, in den Steigerungen, die gleichzeitig nach unten gehen, wie Szigeti. Niemand will den langen Atem so sehr wie Haendel. Grumiaux ist dazwischen und außerhalb. Ich frage mich, von wem ich denn gerne einmal noch diese Bachsolosachen hören würde? Gitlis? Wohl, immerhin gibt es auf dem Röhrenkanal die Chaconne, die Szigeti Ehre erweist, oder auch sich selbst. Suk, den Geschätzten? Ich weiß nicht, ich glaube, er ist einer der Großen, überall, aber nicht solo. Ginette Neveu? Kaum vorstellbar. Das wäre so, als würde Kopatchinskaja die Sonaten und Partitas einspielen. Aber, bevor ich mich verplaudere, als säßen wir am Lagerfeuer, habe es ein Ende. Es gibt derzeit, in dieser unseligen Welt, die mich nur noch ankotzt, pardon – Gruß an Szigeti – nicht viel Grund, zu lächeln. Den Nächsten. Und den Fernsten. So schon.
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