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IV: Back to the roots
Es sollte noch Jahre dauern, bis Paul’s Boutique die Wertschätzung erfuhr, die es heute gleichermaßen unter Fans und Kritik genießt: Als Meisterwerk und Referenzalbum des Hip-Hop. Ende der 1980er Jahre war die Platte jedoch vor allem ein kommerzieller Rohrkrepierer. Eine Tour sparten sich die Beastie Boys vor dem Hintergrund gleich ganz, und abgesehen von ein paar Einzelgigs sahen sie von jeglichen Liveaktivitäten ab. Das Konzept des exzessiven Samplens als tragender Pfeiler ihrer Musik betrachteten sie als ausgereizt. Hinzu kam, dass die unlizenzierte Verwendung fremder Songschnipsel urheberrechtlich so mittlerweile auch gar nicht mehr möglich war. Folglich stand die nächste Neuausrichtung ins Haus, die insbesondere darauf fußte, dass Diamond, Yauch und Horovitz ihre eigenen Instrumente wiederentdeckt hatten und großen Spaß daran fanden, wieder gemeinsam als Band im eigentlichen Sinne Musik zu spielen. In der Folge machten sich die drei daran, in ganz New York alte Instrumente und gebrauchtes analoges Equipment zusammenzusuchen. Zu dieser Zeit lernten sie auch den Multiinstrumentalisten „Money Mark“ Ramos Nishita kennen, der sich insbesondere als versierter Keyboarder entpuppte und zu einem langjährigen Weggefährten der Beastie Boys werden sollte. Die Band mietete sich in verschiedenen Proberäumen ein, war es aber bald leid, die Unmengen an Equipment täglich auf- und wieder abzubauen. Ein Raum ohne Zeitbeschränkung musste her. Schlussendlich fanden sie im heruntergekommenen Awater Village, Los Angeles, ein Tonstudio, das sie dauerhaft beziehen konnten und sich für ihre Zwecke als perfekt erwies. Das „G-Son“ wurde bald der Dreh- und Angelpunkt einer neuen hochproduktiven Kreativphase.
Direkt im Studioraum wurden neben dem Equipment auch eine Halfpipe sowie ein Basketballkorb installiert und eine wohnzimmerartige Wohnfühloase geschaffen. Während dieser Zeit kauften und hörten die Jungs unzählige Funk- und Jazzplatten, die als wesentliche Inspirationsquelle dienen sollten. Aber anstatt das Gehörte zu samplen, wollten die drei selber so spielen wie ihre Idole, was sich aufgrund ihrer zwar vorhandenen, aber noch limitierten Fertigkeiten als Punkmusiker zunächst gar nicht so einfach gestaltete. Doch auch diese Hürde wurde unter Mithilfe von Money Mark und Co-Produzent Mario Caldato gemeistert. Und so spielten sie im Laufe der Zeit diverse Tracks ein und bastelte Loops und Samples aus händisch eingespieltem Material. Das Ergebnis war das Album Check Your Head, das 1992 veröffentlicht wurde und mit seiner wilden Melange aus Funk, Punk und Hip-Hop die Gruppe abermals von einer völlig neuen Seite beleuchtete. Dass die Platte so entstehen konnte, war auch einem Deal mit Capitol zu verdanken, der der Band die völlige künstlerische Freiheit ohne Zwänge oder zeitlichen Druck zusicherte.
Zu dem Zeitpunkt beschränkten sich die Beastie Boys jedoch nicht nur auf die eigene Musik. Denn nebenher investierten die Jungs zum einen erfolgreich Geld in den Aufbau eines Streetwear-Labels und gründeten zum anderen vor allem mit „Grand Royal“ auch ein eigenes Musiklabel, für das Capitol den Vertrieb übernahm. Ziel war es dabei, neben eigenen Nebenprojekten insbesondere Nachwuchskünstlern und dem musikalischen Untergrund eine Plattform zu bieten. Und genau an dieser Stelle führten die Wege nach langen Jahren auch wieder mit denen der 1984 geschassten Drummerin Kate Schellenbach zusammen: Von ihrem neuen „Girls Only-Projekt“ Luscious Jackson zeigten sich Diamond, Yauch und Horovitz so begeistert, dass deren erste EP In Search Of Manny kurzum die erste Veröffentlichung auf Grand Royal wurde (Daughters Of Kaos und Life Of Leisure wurden sogar kleine Undergroundhits).
Die Tour zu Check Your Head führte die Beastie Boys für über 120 Konzerte quer durch Nordamerika, Europa, Australien und Japan. Doch dieses Mal wurden nicht wie im Jahr 1987 die großen Arenen bespielt, sondern bewusst kleinere Clubs als Location gewählt, deren einhergehende Nähe zum Publikum die Band sehr genoss. Im Anschluss an die Tour gingen die Jungs ohne große Umwege direkt wieder zurück an die Arbeit für eine neue Platte. Erste Aufnahmen fanden in New York statt, schnell kehrten sie jedoch ins „G-Son“ an die Westküste zurück. Sie hatten ihre Arbeitsweise (vorerst) gefunden und verzichteten zum ersten und einzigen Mal in ihrer Karriere nach einem Album oder der zugehörigen Tour auf eine längere Pause und nahmen ebenso zum ersten und einzigen Mal keine künstlerische Zäsur vor.
Ill Communication wurde bereits 1994 veröffentlicht und setzte den Weg von Check Your Head konsequent fort, fiel dabei allerdings noch experimenteller als der Vorgänger aus. Insbesondere Yauch, der inzwischen zu einer weltgewandten und kulturell bewanderten Persönlichkeit gereift und zum Buddhismus konvertiert war, brachte viele exotische Ideen von seinen Reisen ein. Auch sein neues Lieblingsinstrument, der Kontrabass, wurde zum festen Bestandteil der Aufnahmesessions.
Bahnbrechend war auch der Erfolg des Videos zu Sabotage, dem Superhit des Albums, in dem die Beasties mit genial überzeichneten Kostümen die amerikanischen Cop-Serien der 70er Jahre aufs Korn nahmen. Das Video erhielt auf allen Kanälen rumd um die Uhr Airplay und bildete die Grundlage für viele weitere visuelle Großtaten, die ebenfalls zu einem Markenzeichen der Gruppe avancieren sollten. Es folgte eine weitere ausgedehnte Tour um die Welt. Die Beastie Boys hatten endgültig zu sich gefunden und waren mit ihrer Rückbesinnung auf alte Tugenden zu einer der größten und bedeutendsten Musikgruppen der ’90er Jahre aufgestiegen. Und nebenbei hatten sie es geschafft, den sich bis dato unvereinbar gegenüberstehenden Hip-Hop- und Rock-Anhängern einen gemeinsamen Nenner zu geben.
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"Really good music isn't just to be heard, you know. It's almost like a hallucination." (Iggy Pop)