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III: Neue Ufer
Nach dem durchschlagenden Erfolg von Licensed To Ill und der gigantischen Tour, die sich 1987 anschloss und den Großteil des Jahres in Anspruch nahm, waren die Beastie Boys plötzlich Superstars. Dennoch fand sich die Gruppe in einer kritischen Phase und vor einer ungewissen Zukunft wieder: Persönlich war man von den Strapazen ausgebrannt und hatte das stereotype Image der Partyrüpel satt, während die Öffentlichkeit trotz des großen Erfolges von einer Eintagsfliege sprach und die Geschichte der Band und ihrem „Frat-Rap“ als auserzählt betrachtete. Hinzu kam, dass man sich im Streit von Ziehvater Rubin und dessen Label Def Jam Recordings, zu dessen Erfolg sie seit dessen Bestehen maßgeblich beigetragen hatten, trennte. Die Band wurde plötzlich nicht mehr an den Plattenverkäufen beteiligt. Begründet wurde dieser Schritt damit, dass die Beasties sich noch nicht wieder ins Studio begeben hätten, um eine neues Album zu produzieren, was aufgrund der Tourverpflichtungen natürlich auch gar nicht möglich war. So gingen Diamond, Yauch und Horovitz zunächst ihren eigenen Angelegenheiten nach und legten eine Pause ein, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Horovitz führte dieser Schritt schnell an die Pazifikküste. Nach jedoch nur kurzer Zeit folgte der Rest und die drei Freunde, die ihr ganzes Leben bisher in New York verbrachten, bezogen zusammen ein Haus in Los Angeles und genossen dort das Leben in vollen Zügen.
Doch der Drang nach einem neuen musikalischen Projekt ließ nicht lange auf sich warten. Der Kontakt zu Capitol, einem Majorlabel, war längst hergestellt und ein neuer Kontrakt unterschrieben. Über Matt Dike, einen Rap-Produzenten, lernten sie schließlich die Dust Brothers kennen, die gerade an ausufernden Samplecollagen arbeiteten, die ursprünglich als rein instrumentale Clubmusik geplant waren. Die Beastie Boys waren von dem Gehörten, das sie selber als „ungeheuerlich groovenden psychedelischen Funk“ beschrieben, so angetan, dass sie unbedingt mit den Dust Brothers zusammenarbeiten wollten. Diese hatten zunächst Bedenken, dass ihre Sampleorgien mit ihrer Dichte viel zu wenig Raum böten, als dass darüber noch gerappt werden könne. Doch sollte sich dieser Einwand als unbegründet erweisen. Und so bastelte man zunächst in Dikes Apartment, später dann in großen Studios die musikalische Grundlage zu dem, was Mitte des Jahres 1989 als das zweite Album Paul’s Boutique das Licht der Welt erblicken sollte. Als Engineer fungierte erstmals Mario Caldato, der den Beastie Boys bis einschließlich des Albums Hello Nasty Ende der 90er Jahre als Co-Produzent treu bleiben sollte.
Die insgesamt 15 Tracks basieren auf einer beispiellosen Anzahl von insgesamt 105 Samples. Allein der Schlusstrack des Albums, die über 12minütige Suite B-Boy Bouillabaisse, beinhaltet 24 Soundschnipsel aus fremden Aufnahmen. Dieser Ansatz war eine absolute Revolution und gilt bis heute als unerreicht; nicht zuletzt dadurch, als dass dem freien Sampeln juristisch bald ein Riegel vorgeschoben wurde und derartige Exzesse einfach nicht mehr bezahlbar waren. Angeblich stand bereits damals eine Klage der verbliebenen Beatles im Raum, da allein im Track The Sounds Of Science fünf Versatzstücke der Fab Four verwendet wurden – ungefragt versteht sich. Mike D kommentierte das nur lakonisch: „What’s cooler than getting sued by the Beatles?“
Paul’s Boutique gilt heute als ein Meilenstein, der auch von ihren schwarzen Kollegen, die das Genre seit jeher domieren, neidlose Anerkennung erfährt. Immer wieder liest man vom Sgt. Pepper des Hip-Hop. Die Beastie Boys hatten den großen Befreiungsschlag gelandet und sich gleichzeit ein nachhallendes kreatives und künstlerischen Denkmal gesetzt. Dennoch floppte das Album zur Zeit der Veröffentlichung. Capitol befand sich damals personell im Umbruch und hatte ihre neuen Schützlinge mehr oder weniger einfach vergessen. Eine Promotion- oder Marketingkampagne für das Album gab es nicht. Für den damaligen Präsidenten der Company war die Misere mit einem ernüchternden Statement kurz und knapp abgehakt: „Beim nächsten Mal, das verspreche ich euch, wird alles besser. Okay?“ Und das wurde es tatsächlich…
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"Really good music isn't just to be heard, you know. It's almost like a hallucination." (Iggy Pop)