Antwort auf: Spellling – The Turning Wheel (25.06.2021)

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jan-lustiger

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hpMein Verdacht ist, dass ihre eher persönlichen und lyrischen Texte zu wenig politisch sind, als dass sie aufmerksam finden würde. Symptomatisch für unsere Zeit, musikalisch ist dieses Album nämlich atemberaubend.

Gerade das Persönliche ist aber doch der politische Modus der Gegenwart. Wo du im Persönlichen etwas Apolitisches siehst, vermutlich weil ihm der Bezug zum Allgemeinen fehlt, entdeckt die Popkritik heute das Politische. Im Persönlichen stecken lived experiences, individuelle Wahrheiten, deren Formulierung als emanzipatorischer Akt gelesen wird – der neue Authentizismus. Hier zum Beispiel ein Zitat aus der Pitchfork-Review des Albums: „Oakland-based artist Chrystia Cabral, who makes music as SPELLLING, has a knack for spinning fairy tales into jagged and reflective truths. In her lyrics, picture-book scenery and happy endings are swapped with existential longing, political criticism, and unsparing self-questioning.“ Die NME-Review, in der der Künstlername dreimal genannt aber immer anders geschrieben wird (was im Zusammenhang mit der Bedeutung des Wortes „spelling“ die Frage aufwirft, ob das Absicht ist), meint: „SPElLLING’s [sic] third album is more of a grand statement of organic authenticity.“ In Deutschland wird das ähnlich wahrgenommen; laut.de schreibt: „Dass The Turning Wheel eine gewisse Doppelbödigkeit besitzt, davon muss man ja ausgehen. Immerhin ist Spellling seit je her subversive Künstlerin, zudem wälzen sich manche Songs thematisch in systematischer Ungerechtigkeit, in einer besseren Zukunft oder auch implizit im Schwarzsein der Protagonistin.“

Long story short: Auf kaum etwas springt die Musikkritik gerade mehr an als auf das Politische-via-dem-Persönlichen. Deine Rechnung geht daher nicht wirklich auf bzw. verweist eher auf das Gegenteil.

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