Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!

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gypsy-tail-wind
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Bei mir definitiv gesetzt – noch vor „In San Francisco“ meine liebste Solo-Aufnahme von Monk – und hier nicht nur komplett und in der damals gespielten Reihenfolge (inkl. kurzem Intro von André Francis – Monk hat „oui“ gelernt und gibt artig Antwort) und v.a. mit knapp 25 Minuten Extramaterial, das es zuvor noch nie zu hören gab.

Monk, Mulligan und Jonah Jones landeten am 31. Mai 1954 zusammen in einer Super Constellation von Air France in Orly – sie alle sollten am „Salon du Jazz“ auftreten, einer jährlichen Musikmesse, die in der Salle Pleyel stattfand. In die Halle wurde eine Art Pseudo-New Orleans eingebaut, es gab Filmvorführungen und um die 30 Konzerte, bei denen auch der französische Jazz vertreten war: von Claude Luter bis Martial Solal. 50’000 Besucher wurden erwartet.

Monk war für fünf Konzerte gebucht, das erste am Tag nach seiner Ankunft am Eröffnungsabend des Salon – doch er hatte keine Rhythmusgruppe dabei und musste also am Tag vor dem Auftritt mit seinen französischen Kollegen proben: Jean-Marie Ingrand (b) und Jean-Louis Viale (d). Das Repertoire von Monk lernen aber auch begabte Musiker wie die beiden nicht so einfach in einem Nachmittag … die Aufnahmen von dem Abend (fast alles Bonusmaterial) dokumentiert also keine Sternstunde sondern einen Pianisten, der mit zwei nicht adäquaten Begleitern vier Stücke spielt, ein komplettes Set von ca. 20 Minuten: „Well You Needn’t“, „‚Round Midnight“, „Off Minor“, „Hackensack“, sowie an letzteres drangehängt seinen Theme-Song, „Epistrophy“. Für Monk war das aber mit Sicherheit ein „decisive moment“, wie Monk-Kenner Laurent De Wilde in seinen neuen Liner Notes für die obiges Ausgabe von 2017 schreibt: zum ersten Mal in Europa, die gesamte Jazzpresse des Kontinents im Saal, das Radio zeichnet den Mitschnitt auf.

De Wilde berichtet über Monks Verhalten auf der Bühne, wie er zweimal aufgestanden ist, weg ging vom Klavier (das zweite Mal, um sich Backstage ein Glas Cognac zu holen) – und wie er im letzten Stück („Hackensack“) dann auch noch selbst einen Fehler macht, u früh in die Bridge geht – was bei den Sidemen natürlich zu Panik führte.

Ein letzter Bonustrack entstand dann wohl am 3. Juni mit Ingrand und vermutlich Gérard Pochonet (d). Und am vierten Tag, dem 4. Juni, ging Monk dann unter der Leitung von André Francis allein ins Studio des Radios – wo das Personal gerade streikte, aber wo die wie ich finde stimmigste Solo-Aufnahme entstanden ist, die dann 1955 auf einer 10″-Platte bei Swing erschien („Piano Solo“), und später unter verschiedenen Titeln („The Prophet“, „The Monk Runs Deep“, „Pure Monk“, „Portrait of an Ermite“ usw.) wieder auf 12″-Platten erschien – zunächst durch vier Blue Note-Tracks angereichert (die beiden Laben waren damals Vertriebspartner und übernahmen gelegentlich auch Aufnahmen des jeweils anderen in den eigenen Katalog, das Wade Legge Trio-Album auf Blue Note ist z.B. eine Vogue-Produktion), später dann auch mit dem neunten, ursprünglich fehlenden Stück der Solo-Session.

Es sollten sieben Jahre vergehen, bis er nach Frankreich (und nach Europa überhaupt, soweit ich weiss) zurückkehrte. Die Tour 1961 ist ausführlich dokumentiert und wurde zu einem Triumph.

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba