Antwort auf: jahresrückblick jazz 2021

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vorgarten

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@atom
das ist mein eigener begriff für etwas, das mich schon seit längerem interessiert. die shorter-brüder, grachan moncur und walter davis jr. sind ja zusammen in newark aufgewachsen, waren in eher langweiligen bands (jackie bland, nat phipps) und haben sich dann ein distinktions-hipster-ding erarbeitet aus quellen, die vor allem mit sci-fi- und horrorfilmen zu tun hatten, die sie sich nacherzählten und daraus mehr oder weniger (laut ihren verständnislosen schul- und musikerkollegen) eine geheimsprache entwickelten. mich hat interessiert, wie das mit dem musikalischen surrealismus mancher kompositionen zusammenhängt, der sich ja auch an den titeln („dance cadavreous“, „mephistopheles“, „frankenstein“ etc.) ablesen lässt, sich aber vor allem in diesen seltsam schillernden gebilden manifestiert, die moncur für das jackie-mclean-quintet und shorter für seine eigenen alben entwickelt haben. und alan shorter ist ja völlig in diesem geheimnisvollen, schrägen ansatz aufgegangen.

und weil moncur eben auch mit mclean und shepp zusammengarbeitet hat, alan shorter mit marion brown (und in paris auch mit shepp) hat diese art geheimsprache auch kreise gezogen, mit dem revolutionären underground der späten 60er was zu tun, paris um 1970 war auch ein kulminationspunkt, wo vieles zusammenlief, und stilistisch haben das auch leute aufgegriffen, dave burrell z.b. walter davis jr. kenne ich am wenigsten von den leuten, der hat ja auch nicht viel komponiert, trotzdem gibt es da auch himmelskörper („uranus“, „scorpio rising“), filmische bilder („bronze dance“) usw.

wichtige aufnahmen sind da für mich: THE ALL-SEEING EYE, MARION BROWN QUARTET, JUBA-LEE, ORGASM, CORAL ROCK, EVOLUTION, NEW AFRICA, HIPNOSIS, A SEA OF FACES, aber das zieht auch weitere kreise, das new york art quartet, der loft von marzette watts, gil evans‘ PARABOLA-album, beaver harris‘ 360° music experience, bis hin zu amina claudine myers soloalbum über kompositionen von marion brown…

die frage ist ein bisschen, ob das nur eine konstruktion von mir ist. oder ob da tatsächlich eine art alternatives songbook entstanden ist oder eine stilistische kategorie eines surrealistischen jazzansatzes, der von dingen erzählt, die unter den oberflächen von bebop und hardbop lagen oder liegen… in diesem tollen text über alan shorter wird z.b. weirdness/nichkonformität als etwas konstruiert, was die bebop-rebellion mit dem freejazz verbindet.

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