Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

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Neue Konzertreihe Zürich – Zürich, Tonhalle, 5. November 2021

Cappella Andrea Barca
András Schiff
Klavier & Leitung

MOZART: Klavierkonzert Nr. 3 Es-Dur KV 271 „Jenamy“
SCHUBERT: Sinfonie Nr. 5 B_Dur D 485

MOZART: Klavierkonzert Nr. 27 B-Dur KV 595

Gestern das letzte Konzert von dem Urlaub (in dem es wieder drei Konzerte geben wird :yes: ) – András Schiff, zum zweiten Mal mit Orchester (nach 2016, als ich ihn noch vor dem Umbau mit dem Tonhalle-Orchester unter Haitink hörte) und nach zwei Solokonzerten (beide 2020). Die Cappella Andrea Barca ist natürlich viel kleiner besetzt als das Tonhalle-Orchester, Für mich bleibt es eine ambivalente, aber lohnende Erfahrung, Schiff zu hören. Ich werde in Sachen CD-Einspielungen kaum mehr anschaffen als was ich habe (den Beethoven-Sonatenzyklus sowie die Doppel-CD mit den Diabelli-Variationen, beides ECM), aber ins Konzert gehe ich bei Gelegenheit doch wieder.

Unterm Strich fand ich das Konzert gestern gut, aber nicht hervorragend. Es wird zwar kammermusikalisch aber wie mich dünkt doch recht behäbig mit den Werken umgegangen, das Ziel scheint eher Schönheit zu sein als – mir fehlen da irgendwie die Worte und ich will jetzt nicht „Tiefe“ schreiben, aber vor der Pause kam es mir schon ein wenig oberflächlich vor, etwas zu wohlklingend vielleicht? (Sie kommen übrigens gestimmt auf die Bühne und legen los, sobald Schiff da ist – das finde ich toll.) Mozart war wunderbar, ganz toll der Klang seines Bösendorferflügels im roten Mahagoni-Finish (den spielte er 2020 bei beiden Solokonzerten auch schon, glaub ich – zum ersten mit Bach hatte ich etwas geschrieben, zum zweiten im Herbst dann leider nicht, dort gab es Haydn, Beethoven und Schubert und ich war auch zwiegespalten, nicht dass ich das eine gut fand und das andere weniger, sondern insgesamt). Schhubert kam mir dann aber – u.a. mit dem Kammerorchester Basel unter Heinz Holliger ihm Ohr kam mir die Darbietung gestern etwas behäbig vor. Mit Holliger und dem KOB hörte ich allerdings Nr. 4 und 6 im Konzert, Nr. 5 nur ab CD – aber ich war gestern überrascht, wie vertraut mir die Fünfte war. Schiffs Dirigat war minimal, mehr gestalterisch und Akzente seztend als den Takt bzw. Schlag gebend. Die Präzision der Cappella war allerdings durch den Abend hindurch nie perfekt, auch schien mir manchmal fast ein Wettstreit zwischen den Pulten zu herrschen – am ersten sass Konzertmeister Erich Höbarth, praktisch vor meiner Nase, aber oft hörte ich das dritte Pult viel lauter (vermutlich das Party-Pult). Da wäre auch gestalterisch mehr drin gewesen, manchmal wirkte das Orchester eher wie ein Haufen Freunde beim unverbindlichen Musizieren als wie ein durch Probearbeit zusammengewachsener Klangkörper.

Nach der Pause dann – leider vor hustendem (die pandemiebedingte soziale Ächtung der notorischen und zwanghaften Konzerthustenden ist hier leider nicht erfolgreich umgesetzt worden, was für eine Wohltat wär’s gewesen! :unsure: ) und unruhig gewordenen Publikum – für mich eine recht deutliche Steigerung. In KV 595 passte der Zugriff Schiffs und seiner Cappella Andrea Barca bestens, hier kam alles zusammen. Ich vermute, das liegt daran, dass KV 595 weniger auf Schönklang aus ist und daher nicht dazu tendiert, unter der Last der vielen schönen Töne und des allgemeinen Wohlklangs zu ersticken, wie das bei KV 271 stärker der Fall ist? Ich weiss es nicht, jedenfalls war das ein wunderbarer Abschluss, der dann aber noch von Schiffs Solo-Zugabe getoppt wurde, einem längeren Stück im 3/4-Takt, das ganz einfach begann und dann fast bruchartig ziemlich intensiv wurde. Ich habe leider keine Ahnung, was das war – vom Kontext her würde ich mal auf Beethoven tippen (das „Andante favori“?), in den ersten Takten dachte ich an Chopin … leider habe ich es versäumt, mich gestern direkt nach dem Heimkommen auf die Suche zu machen.

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