Antwort auf: Marina & The Diamonds

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jan-lustiger

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Ich habe nur den Titeltrack und „I Love You But I Love Me More“ auf der Haben-Seite. Die erste Seite ist voll mit ärgerlich kurzsichtigen soziopolitischen Kommentaren (worst offender: „Venus Fly Trap“, eine vollkommen ironiefreie Hymne an den neoliberalen Feminismus als treibende Kraft für eine bessere Welt), die zweite besteht größtenteils aus Balladen über eine in die Brüche gegangene Beziehung, die mich leider allesamt kalt lassen.

Manch einer zog Vergleiche zu The Family Jewels, was ich in puncto Songwriting für vollkommen abwegig halte; was die Musik angeht ist das beim ersten Durchlauf durchaus nachvollziehbar, danach verliert der Vergleich aber schnell an Farbe. Wenige Pop-Debüts waren in der Zeit seit dem Erscheinen von The Family Jewels so witty wie besagtes Album, und auf Ancient Dreams in a Modern World fehlt davon jede Spur. Die Lyrics sind eher etwas, was ich von einer Frau in ihren frühen 20ern erwarten würde, deren politische Sozialisation nahezu ausschließlich auf Tumblr stattgefunden hat. (In der Polemik dieses Satzes spricht sicherlich auch das enttäuschte Herz eines – ehemaligen? – Fans.) Auch die Arrangements und Produktion sind lange nicht so mitreißend. Sie spielt vage mit dem Stil ihres Erstlings, tut es aber ziemlich halbherzig. Ich sehe gerade, du hast es an anderer Stelle als „The Family Jewels Pt. II – ohne die Magie“ bezeichnet – das trifft es doch ziemlich gut!

Sowohl die Abenteuerlust von The Family Jewels als auch die Fähigkeit, aus dem Spiel mit kultureller Identität eine clevere und dabei nahezu ausschließlich aus bangern bestehende Konzeptplatte wie Electra Heart zu schmieden (die als Kulturkritik Relevanz hat, ohne zu predigen), scheinen Marina inzwischen abzugehen. Oder nein, vielleicht ist „Fähigkeit“ unfair, das scheint mir eine bewusste Entscheidung gewesen zu sein. Sie hat das Streichen der Diamonds in ihrem Namen schließlich damit begründet, sich nicht mehr hinter einer öffentlichen Persona und Alter Egos wie dem, aus dessen Geburt ihr bestes Album hervorging, verstecken zu wollen, was wiederum ihrem Wunsch entspricht, auch als Künstlerin nur noch „Marina“ zu sein, ohne artifiziellen Überbau. Das war wohl der Punkt, an dem sich unsere Wege trennten, denn Pop ohne artifiziellen Überbau ist eher selten spannend.

zuletzt geändert von jan-lustiger

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