Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!

#11600665  | PERMALINK

Anonym
Inaktiv

Registriert seit: 01.01.1970

Beiträge: 0

Zu Sidsel Endresen @gypsy-tail-wind und @vorgarten

„So I Write“ finde ich auch ein sehr schönes Album, ich hatte es damals blind einfach gekauft, als ich in irgendeiner Zeitschrift eine Werbespalte von ECM gesehen habe. Damals habe ich es immer und immer wieder gehört – und heute wieder, wie auch „Exile“. Damals lagen beide bei mir wohl gleichauf, das hatte sich dann zugunsten von „Exile“ aber geändert und ist bis heute so geblieben. Das heißt, ich ziehe „Exile“ deutlich vor. „So I Write“ hat ja ein wunderschönes Wiegenlied („Dreamland“), und das hätte auch als Plattentitel gepasst. Ich meine damit, dass das Album sich für mich heute wie eine Art Peace-Jazz anhört, der zumindest musikalsich von der tatsächlichen, also morschen, maroden Welt Urlaub nimmt. Gewiss konzentriert – aber ob Konzentration als Unterscheidung zu „Exile“ überhaupt taugt, weiß ich nicht, wäre mir jedenfalls nicht eingefallen, weil ich gerade „Exile“ als Ganzes ungemein bündig höre. David Darling empfinde ich als große Bereicherung, sodass vorgartens Charakterisierung von „So I Write“ mir gerade viel eher für „Exile“ zu passen scheint. Interessant, wie unterschiedlich wir das hören. Da ist aber auch ein persönlicher Spleen im Spiel, soll heißen, wenn David Darling auftaucht, sehe ich sofort Godard. (Es gab, à propos, kürzlich eine dreistündige Sendung über God-Art, gar nicht schlecht als umfangreicher Überblick und mit etlichen Auskünften zu G.s Verhältnis zur Musik, kann man noch nachhören.) Kurz, für mich zerfasert auf „Exile“ nichts, das ist alles in – konzentriertem – Halbdunkel, aus dem heraus Endresen in völligem Einverständnis mit den anderen den auch elenden Abschweifungen des Lebens Raum gibt.

Sonst habe ich nur noch eine ebenfalls wunderbare Platte, die dann in die Nacht führt, allerdings eine friedliche:

Zeitlich nah an „Exile“ aufgenommen (1994); Endresen mit berückend klarer Stimme. Wenn’s nicht so anzüglich klänge, könnte man sagen, die beiden hatten eine nette Nacht. Und hier ist nun auch die hymnische Neigung Endresens, die auch auf „Exile“ bereits im Ansatz zu hören ist, ausgeprägter, vor allem in „Psalm“. Die Eröffnung macht ein präzises Auseinandernehmen der „Chain of Fools“, die meisten Stücke sind aber von Endresen und Wesseltoft, man trifft aber auch z. B. auf „The Lady Is a Tramp“ von Rodgers und Hart. Dieses Album höre ich jedenfalls auch immer gern. Ich möchte die drei Alben keineswegs gegeneinander ausspielen, bin auch froh um „So I Write“, aber näher sind mir eben inzwischen die beiden anderen.

Tja, und damit endet auch schon meine Kenntnis von Endresens Werk. Nach „Nightsong“ hatte ich es noch mit einer weiteren Scheibe versucht, aber bereits vergessen, welche das war. Ich erinnere mich jedenfalls, dass mir die Zunahme des Experiments, mit der Stimme „alles machen zu können“, mir zu viel von norwegischen Wäldern hatte. Das ist mit Sicherheit eine ungerechtfertigte Einschätzung; jedenfalls habe ich danach Endresen aus den Ohren verloren. Wer weiß, wie spätere Sachen von ihr mir heute zusagen würden. Im Moment allerdings und das wird vermutlich auch so bleiben, genügen mir die drei Alben da oben, die ich alle nicht missen möchte, völlig. :bye:

--