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Bei Stanko ist es (wie beim ersten Album des Quartetts) ein Still von Godard.
Ich mache breche jetzt aus
Roscoe Mitchell and The Transatlantic Art Ensemble – Composition / Improvisation Nos. 1, 2 & 3 | Im September 2004 trafen sich in München vierzehn Musiker unter der Leitung von Roscoe Mitchell und Evan Parker, die davor das Line-Up bestimmt und das Treffen geplant hatten. Es fanden mehrtägige Proben statt, und dann zwei Konzerte: am 10. September stand Parkers Musik auf dem Programm, am 11. die von Mitchell. Abgemischt wurde die Konzertaufnahme im April 2006 bzw. im September 2007 in Udine, 2007 und 2008 erschienen die Alben – die Katalognummern stammen wohl bereits von 2004 (wieder so ein Fall, keine Ahnung, warum das so lange dauerte und warum schon Nummern vergeben wurden, bevor – vielleicht – überhaupt erst an die Postproduktion gedacht wurde).
Parker beschränkt sich auf das Sopransaxophon, Mitchell spielt auf seinem Set Tenor und Sopran, auf Parkers Set Alt und und Sopran. Dazu kommen weitere Bläser: Anders Svanoe (as, bei Mitchell auch bari), John Rangecroft (cl), Neil Metcalfe (fl), Corey Wilkes (t/flh); eine ganze Streicher-Section: Philipp Wachsmann (v), Nils Bultmann (vla), Marcio Mattos (vc), Jaribu Shahid und Barry Guy (b); zudem Craig Taborn (p), sowie Tani Tabbal und Paul Lytton (d/perc).
Wie die Tracklist sich zum Titel verhält, ist mir nicht klar – aber bei Discogs findet sich dieser Rundown:
VIII and IV from Composition/Improvisation 1
I, II, V, VI, VII, IX from Composition/Improvisation 2
III from Composition/Improvisation 3
Steve Lake schreibt in den Liner Notes, die Musik sei nachträglich zu einer Suite verarbeitet worden und: „For decades ’scored improvisations‘ have been amongst Mitchell’s many means of lifting collective improvising beyond routine responses. While sections of his Compositions/Improvisation pieces are fully notated, other sections offer a calibrated freedom extended variously to individual musicians, sub-groups of players, or the entire ensemble. Roscoe Mitchell: ‚For the symposium in Munich, I devised three methods of improvisation with composition. One method involved each player getting a part and also six cards with scored improvisation on them. One piece used a limited number of notes, and I asked the players to use only those notes for improvisation. And for the third piece, I asked players to select their information from the composition and construct improvisation based on that.'“
Das erklärt natürlich nicht, was auf der Aufnahme zu hören ist, gibt aber einen Einblick in die Entstehung und in Mitchells Vorgehensweise. Ich habe bisher keins der beiden Alben als Lieblingsalbum abgelegt, aber ich habe die beiden auch recht lange nicht mehr gehört. Das hat auch damit zu tun, dass ich Mitchells Musik oft sehr anspruchsvoll finde.
Evan Parker and The Transatlantic Art Ensemble – Boustrophedon | Der Titel, das griechische „Boustrophedon“,, „bezeichnet die Schreibweise mit zeilenweise abwechselnder Schreibrichtung, meist auf eine horizontale Schreibrichtung bezogen“ (Wikipedia). Parkers Album ist als Suite mit „Furrow“ 1-6 sowie einer „Overture“ und einem „Finale“ strukturiert. Die „Furchen“ (oder „Rillen“) ergeben sich aus der Herkunft des Titels, der auch die Bewegung des Ochsen beim Pflügen bezeichnet bzw. sich daraus herleitet (wörtlich bedeutet es „ochsenwendig“).
Während Mitchell die Hälfte seiner „Note Factory“-Band mitbrachte, suchte Parker im eigenen Umfeld nach Musikern, die er sich für dieses Projekt vorstellen konnte. Svanoe und Bultmann haben als Gäste mit der Note Factory gespielt, von Parkers Seite sind natürlich Guy und Lytton die alten Kameraden, die zusammen mit Wachsmann den „acoustic“-Teil von Parkers ebenfalls bei ECM dokumentierten Electro-Acoustic Ensemble bilden. Rangecroft und Metcalfe haben beide mit dem Spontaneous Music Ensemble gespielt, zu dem Parker und Guy auch gehörten.
Die Struktur ist bei Parker weniger elaboriert. Er hat etwas Material notiert (was er immer nur spärlich tut), viel Raum gelassen und die einzelnen „Furchen“ jeweils einem Paar aus einem amerikanischen und einem britischen Musiker zugewiesen. So treffen die Flöte von Metcalfe und das Piano von Taborn in „Furrow 1“ aufeinander, dann folgen Phil Wachsmann und Nils Bultmann, Marcio Mattos und Anders Svanoe, John Rangecroft und Corey Wilkes, Jaribu Shahid und Barry Guy und zum Schluss Evan Parker und Roscoe Mitchell (sie solieren in dieser Reihenfolge). Das Finale besteht dann aus einer Reihe von Solokadenzen, deren Abfolge in Gene Lakes Liner Notes wiedergegeben ist (und als Foto auf einem Zettel, auf dem Parker das Ganze skizzierte). Dazwischen leiten die beiden Co-Leader ihren Teil der Band, besonders deutlich wird das in „Furrow 4“ (beim Übergang von Rangecroft zu Wilkes gibt Mitchell Anweisungen) – und klar, es war im Konzertkontext natürlich auch zu sehen. Natürlich werden die Solisten stets vom Ensemble begleitet, die Form ist also weniger komplex als bei Mitchell und mich dünkt, das hört man der Musik auch an, sie ist viel typischer für das Genre. Das hat einen zugänglicheren und weichen Flow als Mitchell – doch das mag auch damit zu tun haben, dass dessen Musik auf 79 Minuten gekürzt wurde, während bei Parker ein integrales, einstündiges Stück komplett zu hören ist.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #163: Neuentdeckungen aus dem Katalog von CTI Records (Teil 2), 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba