Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!

#11595057  | PERMALINK

gypsy-tail-wind
Moderator
Biomasse

Registriert seit: 25.01.2010

Beiträge: 68,343

vorgartennur lieblingsalben, bitte!

Aye! Ich mach halt, wie man hier ja seit Monaten beobachten kann, deutlich mehr … aber egal. Und jetzt ist ein Lieblingsalbum dran:

Charles Lloyd – Lift Every Voice | Und die Bemerkung von vor einiger Zeit wegen Bobo Stenson und Geri Allen (bezog sich auf Stensons „Reflections“, glaub ich?) kann ich gerade im Direktvergleich nachvollziehen. Mir gibt die Band hier am Ende glaub ich mehr als die mit Mehldau und Higgins (wobei „Hyperion with Higgins“ auch zu meinen Lloyd-Lieblingsalben zählt, ebenso wie „Canto“ mit Stenson). Mit der schieren Menge an Musik (zwei Stunden und elf Minuten) hatte ich hier nie ein Problem, mit der Menge an Elegischem auch nicht – weil hier einfach alles gut zusammenkommt. Hart sorgt für leisere und zerklüftetere Beats als Higgins, Abercrombie ist wieder relativ vielschichtig (weniger als auf „Voice in the Night“ glaub ich?) was den Ton angeht – er packte bei Lloyd wohl gerne weichere und warmere, weniger schroff-flächige Klänge aus, wie er sie sonst in späten Jahren pflegte. Die Bassisten wechseln sich ab, Grenadier spielt auf zehn Stücken, Johnson auf acht, und einmal – auf „Nocturne“ mitten in CD 2 – spielen sie beide. Aber die Hauptakteurin, die hier die Musik prägt, ist Geri Allen am Klavier.

Neben Lloyd-Originals sind ein paar Traditionals zu hören, auch „Amazing Grace“ – das war ja Lloyds 9/11-Album: er sollte an dem Abend im Blue Note spielen, was natürlich nicht ging. Lloyd suchte nach einer Antwort oder eher: Reaktion – auf die Ereignisse, und dieses epische – und eben: elegische – Doppelalbum war das Ergebnis. Neben sprechend betitelten Originals wie dem Opener „Hymn to the Mother“, „Beyond Darkness“ oder „Prayer, The Crossing“ am Ende des Albums, Traditionals wie „Wayfaring Stranger“ oder „Go Down Moses“, hören wir zwei Stücke von Silvio Rodriguez, aber auch Musik von Billy Preston oder Marvin Gayes „What’s Goin‘ On“ und je ein Stück von Ellington (das wenig bekannte „I’m Afraid (Of Loving You Too Much)“) und Strayhorn („Blood Count“), und natürlich „Lift Every Voice and Sing“.

Jenseits von Coltrane-Hymnik und getragenen Stimmungen bricht hier wahnsinnig viel auf, die Musik verändert sich stetig, hat ihre schroffen Momente, Abercrombie spielt auch mal eine dreckige Rockabilly-Gitarre über einen immer fetter werdenden Backbeat von Hart. Hier passt für mich jedenfalls alles … nicht ganz oben, aber auf jeden Fall im Favoritenkreis!

--

"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba