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gypsy-tail-wind
Höre jetzt CD 2 von „Whisper Not“ – und „You Took Advantage of Me“ ist da gar nicht drauf, meinst Du „What Is This Thing Called Love“, den Opener von CD 2 mit dem Vamp?
ja, sorry, das war gestern zu schnell und zu zwischendurch dahingeschrieben, ich meinte YESTERDAYS, nicht WHISPER NOT, und da bist du ja noch gar nicht.
gypsy-tail-windDie Abgrenzung von Broadway und Tin Pan Alley habe ich überhaupt nicht im Griff, wie würdest Du denn „show tune“ von … was weiss ich, Fred Astaire singt was in einem seiner Filme, oder irgendwer singt was im Musical abgrenzen? Das werfe ich alles zu „Standards“ (also gerade keine Trennung vom GAS sondern Synonym – so hab ich’s zumindest bisher immer verwendet, mag in Irrtum sein). Der wesentliche Unterschied für mich ist – unabhängig, was in den „Real Book(s)“ drin ist oder nicht: Song (mit Text) oder Jazz „tune“ (unabhängig davon, ob später jemand einen Text schrieb – Ellington ist da dann der Grenzfall, weil da die Texte oft dabei waren oder zeitnah kamen).
den unterschied zwischen dem great american songbook und dem real book bzw. den jazzstandards erkläre ich mir mit den unterschiedlichen agenden: jazzstandards als grundlage schneller absprachen für jams, später als eine art zulassung für musiker*innen, die sich profis nennen; das great american songbook als letztlich nationalistisches projekt, aus den anforderungen des markts (ständig neue noten, weil jeder ordentliche haushalt ja um 1900 herum ein klavier haben musste, irgendwann reichten dann die bearbeitungen von europäischem zeug nicht mehr aus und man hat komponisten und texter angeheuert) irgendwann eine eigene tradition zu behaupten – wobei ja da nochmal interessant ist, um wessen „eigenes“ es dabei geht, als jerome kern (glaube ich) harold arlen dann auch mal anfing, sich bei blues und spirituals zu bedienen, war das ja schon erstmal ein skandal.
beides sind aber natürlich inoffizielle sammlungen, insofern ist immer die frage, was in welchem kontext und zu welcher zeit dazugehört. und eins geht nicht als teil des anderen völlig auf ( @soulpope ), zu manchem standard gibt es keinen text oder jedenfalls keinen englischen („dear old stockholm“), zu manchen kam der erst jahre später („solitude“), also nicht alle standards sind notwendigerweise songs, aber umgekehrt halt auch (und das finde ich spannend): nicht alle großen amerikanischen songs wurden zu standards („ol‘ man river“, „white christmas“ etc.). und was passiert wiederum mit den songs, wenn sie zu standards werden – und wenn aus vokalversionen instrumentale werden (ist dann der text noch irgendwie präsent?)?
„showtunes“ ist nochmal schwieriger als kategorie. ich bezog mich da auf die vaudeville-tradition (oder das, was in england „music hall“ war und in frankreich „varieté“), wo sich gesangsnummern zwischen stand-up und tanz usw. behaupten mussten (schräge texte, verrückte rhythmen, sportliche choreografien), und da höre ich jarretts „you took advantage…“. das kam ja nicht nur vom broadway, sondern bekam früh eine visuelle dimension, über die revuefilme und kurzfilmprogramme mit entsprechenden nummern als startinvestition für den tonfilm. hollywood hat sehr schnell musikverlage gekauft, am broadway hat man dafür eher frische talente gesucht (eine interessante ost-westküsten-bewegung) als die songs übernommen, das mit den verfilmten theaterproduktionen kam später, und in den musicals gab es ja – auch wenn sie sehr erfolgreich waren – immer nur eine handvoll songs mit hitpotenzial, die ins song- und, sofern sie von jazzern adaptiert wurden, ins real book kamen.
das ist aber auch nur halbwissen über sehr komplexe mediengeschichtliche vorgänge (musikverlage, radio, broadway, aufnahmeindustrie, film, tanzschulen…).
sollte man vielleicht eher in den summertime-thread oder so verschieben.
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