Antwort auf: The Incredible Jimmy Smith at the Organ – James Oscar Smith (1925/28-2005)

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August 1957 & Februar 1958: The Sermon – Jam-Sessions, 2. Runde

Smith hatte in einem irren Tempo Sessions für Blue Note aufgenommen – aber anders als andere Musiker, bei denen es ähnlich losging und dann teils auch schon wieder vorbei war oder massiv langsamer weiter ging, lief es bei Smith auch in den folgenden Jahren mehr als Rund. Gemäss Discogs kamen die ersten fünf Alben 1956, die nächsten sechs 1957 heraus. Das muss die ziemliche Marktsättigung gewesen sein und es wäre interessant, die effektiven Verkaufszahlen pro Album zu kennen, im Vergleich mit anderen erfolgreichen Alben aus der Zeit. Die beiden Volumen aus dem Small’s erschienen 1958, und ein drittes Album folgte in dem Jahr noch, das erste von Smith aus der 4000er-Reihe:

Am 25. August 1957 ging Smith erneut mit einer grossen Gruppe von Blue Note-Regulars in die Manhattan Towers Studios in New York (Tonmeister Rudy Van Gelder war stets dabei, auch bei den Live-Aufnahmen). Lee Morgan, der kurz nach Smith unter Vertrag genommene Trompeter (der mit kurzen Unterbrüchen bis zu seinem frühen Tod für das Label aufnahm), Curtis Fuller (der 1957 vier Sessions als Leader machen konnte und danach weiterhin als Sideman präsent war), George Coleman, der junge Saxophonist aus Memphis, der später auch bei Miles Davis spielen sollte und als Sideman auch bei einem Album von Morgan mitwirkte (er beschränkt sich hier aufs Altsaxophon), dazu einmal mehr Kenny Burrell als Verstärkung an der Gitarre, sowie das reguläre Trio von Smith mit Gitarrist Eddie McFadden un Drummer Donald Bailey.

Aufgenommen wurden bei der Session acht Stücke, zwei landeten auf der B-Seite von „House Party“, ein weiteres auf „The Sermon!“, zwei bzw. eines auf den LT-Series-Alben „Confirmation“ und „On the Sunny Side“, und zwei schliesslich auf der Japan-LP „Special Guests“ (1984). (An manchen Orten, auch in Blumenthals neuen Liner Notes für das RVG-Reissue, steht, es seien sieben Stücke aufgenommen; das nicht mitgezählte ist „Litte Girl Blue“ im Trio mit Burrell/Bailey, das auf „On the Sunny Side“ landete.)

Die zweite Session, aus der „House Party“ und „The Sermon“ zusammengestellt wurden, folgte exakt ein halbes Jahr später am 25. Februar 1958, ein Jahr nachdem Smith erstmals im Format der Studio-Jam-Session aufgenommen hatte – von dieser Session stammt das obige Foto mit Smith und Burrell sowie Alfred Lion im Hintergrund. Nun war das Line-Up noch toller: Lee Morgan und Kenny Burrell waren wieder dabei, Lou Donaldson und Art Blakey kehrten zurück, und Tenorsaxophonist Tina Brooks stiess auch noch dazu. McFadden und Bailey, die regulären Smith Sidemen, kamen ebenfalls zum Zug. Dieses Mal wurden fünf Stücke fertig gestellt: zwei für die A-Seite von „House Party“, zwei für „The Sermon!“, und eines für „Confirmation“.

Zur Edition der CDs ist auch noch eine Bemerkung nötig: die alten McMaster-Ausgaben sortierten das Material chronologisch: „Houseparty“ (sic) enthielt die ersten fünf Stücke vom August 1957 („Little Girl Blue“ fehlte auch hier), „The Sermon!“ die letzten beiden vom August und alle fünf vom Februar 1958. Anscheinend gab es darüber (und ähnlich zu den CD-Reissues von „No Room for Squares“ und „The Turnaround“) so viele Beschwerden, dass für die RVG-Editionen die Originalkonfigurationen wieder hergestellt und die Bonustracks weggelassen wurden – bis auf einen, „Confirmation“, der ans Ende der RVG-CD von „House Party“ gepackt wurde, womit auf den beiden CDs die gesamte 1958er Session enthalten ist, aber so einiges von der 1957er unter den Tisch fiel.

Die Sessions, chronologisch:

Manhattan Towers, NYC, August 25, 1957
Lee Morgan, trumpet #1-4,6,8; Curtis Fuller, trombone #2-4,7,8; George Coleman, alto sax #1-4,8; Jimmy Smith, organ; Eddie McFadden, guitar #1-3,6; Kenny Burrell, guitar #4,5,8; Donald Bailey, drums.

1. tk.2 J.O.S. – Blue Note BLP 4011, CDP 7 46546 2
2. tk.3 What Is This Thing Called Love – Blue Note LT-992, CDP 7 46546 2
3. tk.4 Just Friends – Blue Note BLP 4002, CDP 7 46546 2
4. tk.5 Cherokee – Blue Note LT-992, CDP 7 46546 2
5. tk.6 Little Girl Blue – Blue Note LT-1092, (J) TOCJ-5941/44
6. tk.8 ‚S Wonderful – Blue Note (J) BNJ-50101, CDP 7 46097 2, (J) TOCJ-5941/44
7. tk.9 Blue Room – Blue Note (J) BNJ-50101, CDP 7 46097 2
8. tk.11 Blues After All – Blue Note BLP 4002, CDP 7 46546 2

Manhattan Towers, NYC, February 25, 1958
Lou Donaldson, alto sax #3,4; Jimmy Smith, organ; Eddie McFadden, guitar; Donald Bailey, drums.

1. No Way Out – rejected
2. unknown title – rejected
3. tk.5 Lover Man – Blue Note BLP 4002, BN-LA400-H2, CDP 7 46097 2
4. Strike Up The Band – rejected

Lee Morgan, trumpet; Lou Donaldson, alto sax #1,2,4; Tina Brooks, tenor sax #1,2,4; Jimmy Smith, organ; Kenny Burrell, guitar; Art Blakey, drums.
1. tk.12 Confirmation – Blue Note LT-992, CDP 7 46097 2
2. tk.13 Au Private – Blue Note BLP 4002, CDP 7 46097 2
3. tk.14 Flamingo – Blue Note BLP 4011, BST 89901, CDP 7 46097 2
4. tk.15 The Sermon – Blue Note 45-1879, BLP 4011, BST 89901, BN-LA400-H2, (J) NP-9020C, CDP 7 46097 2

* Blue Note BLP 4002, BST 84002 Jimmy Smith – House Party
* Blue Note BLP 4011, BST 84011 Jimmy Smith – The Sermon!
* Blue Note LT-992 Jimmy Smith – Confirmation
* Blue Note LT-1092 Jimmy Smith – On The Sunny Side
* Blue Note BN-LA400-H2 Jimmy Smith
* Blue Note BST 89901 Jimmy Smith’s Greatest Hits!
* Blue Note (J) BNJ-50101 Jimmy Smith – Special Guests
* Blue Note CDP 7 46546 2 Jimmy Smith – House Party
* Blue Note CDP 7 46097 2 Jimmy Smith – The Sermon!
* Blue Note (J) TOCJ-5941/44 Various Artists – Rare Tracks: The Other Side Of Blue Note 4000 Series
* Blue Note (J) NP-9020C Various Artists – Blue Note Jazz

(Bei „Little Girl Blue“ fehlt die für unsereins offensichtlichste Angabe: die CD „Standards“ [CDP 7 821282 2] von 1998 enthielt den Track und vier weitere [vom 15. Juli 1958] von „On the Sunny Side“, sowie sieben weiter, davor unveröffentlichte Stücke vom 24. Mai 1959.)

Jimmy Smith’s House Party | Die erste Seite der Platte stammt von der Session vom Februar 1958. Mit Charlie Parker geht es los: „Au Privave“, vorgestellt von Lee Morgan an der Trompete, der für die Wiederholung des Themas von Lou Donaldson und Tina Brook. Das Tempo ist mittelschnell, Burrell und Blakey die Rhythmusgruppe, Smith selbst spielt das erste Solo, wirkt entspannter und lockerer als ein Jahr davor bei den Jams mit den Bläsern. Locker und entspannt heisst natürlich nicht, dass es nicht mit dem gebotenen Ernst zur Sache ging. Lee Morgan, ein paar Wochen davor 20 geworden, ist nach Smith an der Reihe. Blakey und Smith streuen Riffs ein, die wie abgesprochen klingen, aber auch spontan entstanden sein können. Morgans Solo ist hervorragend – die Gestaltung des Tones, die Phrasierung, die Linien … schlicht umwerfend. Lou Donaldson wirkt danach zu Beginn mit seinen Bird+Blues-Klischees nicht sehr frisch, aber das Zusammenspiel mit Smith und Blakey funktioniert einmal mehr hervorragend und er steigert sich schnell. Auch hinter Donaldson tauchen von Smith Riffs auf, die die fünfzehnminütige Performance auch zu strukturieren helfen. Brooks übernimmt fliegend von Donaldson, seine Delivery und sein Ton weniger blumig, sehr direkt – und so gut, dass Alfred Lion ihm einen Monat später die erste Session als Leader gewährte (mit Lee Morgan, Art Blakey sowie Sonny Clark und Doug Watkins). Danach ist auch Kenny Burrell an der Reihe, und für ihn ist das einmal mehr ein idealer Rahmen – warum nahm er eigentlich damals nicht auch als Leader richtig gute Alben mit Organisten auf? Jedenfalls ist das eine superbe Performance, die nicht zuletzt an „Yardbird Suite“ erinnert, das ein Jahr früher entstanden war.

Die erste Seite endet mit „Lover Man“, Donaldsons Balladenfeature, au dem er von Smiths regulärem Trio mit Eddie McFadden und Donald Bailey begleitet wird. Das ist eine schöne Einspielung, bei der Donaldson mit der gebotenen Ruhe vorgeht. Auch die Doubletime-Passage, die Smith eher eher zu bremsen scheint, während Baileys Beat sehr leicht bleibt, bricht nicht zu sehr aus der Stimmung aus – die Skepsis darüber, ausgerechnet dieses Stück zum Feature zu machen, legt sich jedenfalls … besser als hier kriegt man Donaldson in den Fünfzigern kam zu hören.

Das Schema für Seite 2 ist ähnlich: ein 15minütiger Jam über „Just Friends“ und dann wieder ein kürzeres Stück, „Blues After All“ von Kenny Burrell. Die Musik wurde im August 1957 aufgenommen. Das Thema von „Just Friends“ gehört Eddie McFadden, der auch das erste Solo spielt. Das Trio ist längst bestens eingespielt, Bailey streut im Hintergrund eine seltsame Schepper-Fills ein. Smith übernimmt, der Groove wird härter. Dann übernimmt Lee Morgan, mit blechernem, leicht säuerlichen Ton, weniger spitz aufspielend als im Opener. Dann ist George Coleman dran und spielt ein Solo, das sich wie ein langer Steigerungslauf ausnimmt und am Ende ganz hervorragend ist. Am Altsax klingt er auch viel mehr nach Parker als am Tenor, das damals bereits sein Hauptinstrument war … aber er spielt wesentlich klischeefreier als Donaldson, mit schlankerem, weniger runden Ton – der Ton ist definitiv Donaldsons grosse Stärke, da kann man echt wenig nörgeln! Curtis Fuller ist der letzte im Reigen – er war 1957 eine Art Geheimwaffe von Alfred Lion, nahm in rascher Folge vier Sessions als Leader auf, spielte mit John Coltrane, Bud Powell, Sonny Clark, Lou Donaldson, Lee Morgan und Clifford Jordan mit. Sein Solo gelingt vielleicht eine Spur weniger, aber ist ebenfalls recht gut, saubere Doubletime-Passagen, sein grosser, vokaler Ton … der Ausklang kommt dann wieder von McFadden.

Das Album endet mit einem kurzen Blues, von Kenny Burrell, der McFaddens Platz einnimmt. Das Stück entstand ganz am Ende der Session und die Stimmung ist sehr entspannt. Coleman, Morgan, Fuller, Smith und Burrell spielen kurze Soli, in denen sie alle ihre Stärken zum Besten geben, gefolgt von

Unterm Strich ist klar, dass die Tracks von 1958 eine Spur besser sind, die Stimmung der Session ist eine andere, Blakey sorgt – auch wenn er eher noch weniger spielt als Bailey – für einen tolleren Beat, der den Laden irgendwie besser am Laufen hält und für mehr Spannung sorgt – besonders, wenn auch noch Kenny Burrell dabei ist. Burrell, Smith und Blakey waren echt eine Traumformation und es ist sehr schade, dass sie nie ein ganzes Album im Trio aufgenommen haben.

Jimmy Smith – The Sermon! | Die zweite Scheibe mit Musik von den beiden Jam-Sessions war „The Sermon!“, und hier gibt es zwei lange Tracks, eine halbe Stunde Musik, vom Februar 1958, sowie einen vom August 1957. Mir war das Album von den beiden immer schon das liebere, was v.a. mit dem 20minütigen Titeltrack zu tun hat, der die ganze A-Seite der LP einnahm – inspiriert von Horace Silver und ihm gewidmet. Smith spielt in diesem langen, wieder im mittelschnellen Tempo gespielten Blues-Jam das erste Solo, es gibt früh eine seiner Telegraphen-Passagen, dann zitiert er „Teach Me Tonight“ und improvisiert gleich eine Weile um die Melodie herum. Dann folgt Kenny Burrell mit einem feinen Solo, während – und natürlich sorgt Art Blakey wieder zwanzig Minuten lang für den passenden Beat. Tina Brooks folgt, er geht zunächst seine eigenen Wege, aber er landet bei „A Kiss to Build a Dream On“, ziemlich genau bei Halbzeit im Stück. Lee Morgan folgt, und Ira Gitler erwähnt in den Liner Notes, dass er – wie Donald Byrd und Louis Smith – das reiche Trompetenspiel von Clifford Brown fortführe. Morgan weiss natürlich ganz genau, wie er in so einer Nummer effektvoll spielt, fängt mit ganz einfach Motiven an, immer wieder neu angesetzt, mit längeren Pausen dazwischen, stottert sich allmählich warm und ist plötzlich mitten drin. Lou Donaldson, sowieso zitierfreudig – durchaus auch mal in unpassendem Kontext – zitiert dann gleich zu Beginn „The Continental“ und später „Ain’t Necessarily So“, aber sein Solo ist hier wieder mal ziemlich super, er wirkt fast schon nachdenklich, lässt sich Zeit, zeigt, dass er das mit dem Storytelling irgendwie schon auch drauf hatte (ich schrieb ja neulich irgendwo das Gegenteil – Donaldson ist echt kein Favorit von mir, aber wenn eine Orgel im Spiel ist, mag ich ihn praktisch immer). Ein Riff der Bläser mit ein paar Highnotes von Morgan führt zurück zu Smith, der das Stück abschliesst. Ich denke, dass das bis ahin mit Abstand die längste Nummer ist, die Blue Note mitschnitt – Lion war ja kein Verfechter der Blowing Session, aber so salopp und gerne auch mal sloppy wie z.B. bei Prestige wirkt das hier auch nie. Für mich ein Lieblingsstück aus Smiths Diskographie – und von Blue Note.

Die B-Seite beginnt mit dem 12minütigen „J.O.S.“ (den Initialen des Leaders), dem wohl besten Stück der Session vom August 1957. Hier sind also wieder McFadden und Bailey dabei, zudem Morgan und Coleman (Fuller pausiert). Morgan ist in Spiellaune und ignoriert Smiths Stopp-Signal, das wie die Bremse eines Lastwagens klingt, wie Bob Blumenthal schreibt. Am Ende des Albums steht dann Morgans Balladenfeature, „Flamingo“, von der Februar-Session mit Burrell, Smith und Blakey – Gegenstück zu Donaldsons Feature über „Lover Man“ auf dem anderen Album, und wenigstens so schön.

Bedauerlich übrigens, dass es kein Balladenfeature für Tina Brooks gab – „No Way Out“ sagt mir nichts, vielleicht war das oder das unbekannte Stück, das „rejected“ wurde, ja das Brooks-Feature; „Strike Up the Band“ wird üblicherweise in halsbrecherischem Tempo gespielt.

Jimmy Smith – Confirmation | Mit Hilfe der alten CD-Ausgabe kann man sich nun auch das erste der nachgeschobenen Alben vollständig zusammensetzen. Los geht es mit dem 15minütigen „What Is This Thing Called Love“ (1957), dann folgt das zehnminütige „Confirmation“ (1958, der Bonustrack der RVG-CD von „House Party“), und auf Seite B das zwanzigminütige „Cherokee“ (wieder von 1957). Auf den 1957er-Tracks ist das Line-Up ja eindeutig, bis auf die Gitarre: McFadden spielt in „What Is This Thing“, Burrell in „Cherokee“. Auf dem Titeltrack hören wir die 1958er-Band mit Burrell und Blakey.

„What Is This Thing“ gehört erstmal McFadden, er präsentiert allein das Thema und übernimmt das erste Solo. Fuller folgt, wirkt zwar etwas zögerlich, aber auch sehr stringent und am Ende ziemlich gut. George Coleman spielt das nächste Solo – und es bleibt für mich ungewöhnlich, ihn am Altsax zu hören. Er mag nicht so ein Groove-Spieler wie Donaldson sein, aber ich stelle mir schon vor, dass er auch für die 1958er-Session ein Gewinn gewesen wäre. Lee Morgan folgt, und am Ende setzt Smith selbst das Glanzlicht. Aber ich habe auch hier den Eindruck, dass bei der Session vom August 1957 irgendwie nicht alles richtig zusammen passt … und den Verdacht, dass das mit der Rhythmusgruppe zu tun haben könnte: McFadden/Bailey kriegen einfach nicht diesen maximal entspannten und doch so treibenden Groove hin, wie ihn Burrell/Blakey gerade auf „The Sermon“ so perfekt raushauen.

Von der 1958er-Session stammt dann „Confirmation“, eine Parker-Nummer, deren Thema von den Bläsern ziemlich messy unisono (oder eben nicht ganz) dargeboten wird. Burrell spielt das erste Solo, und der Groove ist tatsächlich anders. Donaldson, Morgan und Brooks folgen – und die Soli werden für meine Ohre immer besser. Jedes Solo von Brooks ist mir natürlich eh willkommen. Er klingt hier, bei seinem Debut im Plattenstudio, gar nicht so weit weg von Hank Mobley, der im Vorjahr bei der ersten Studio-Jam-Session Smiths mitwirkte. Blakey dreht hinter ihm auf, und auch Smith wird zwischendurch sehr lebendig – der Handover zu seinem Solo ist dann fliessend und er sprüht einmal mehr vor Ideen.

In „Cherokee“ ist Bailey mit Burrell zugange – der sorgt mit seinem singenden, resonanzreichen Ton schon im Thema, das er präsentiert, für eine andere Stimmung. Das Tempo ist rasant und Burrell spielt ein kurzes Solo, bevor Curtis Fuller übernimmt und findet sich sofort zurecht. Hier ist er es, der das erste Zitat einstreut: „Lazy Bones“, und später noch „I’m Beginning to See the Light“. Burrell folgt mit einem ausgewachsenen Solo, dann Lee Morgan, der sofort in die Vollen geht und dem es irgendwie gelingt, dass Bailey richtig aufwacht und lebendiger zu agieren beginnt. Coleman und erneut ganz zum Schluss der Leader folgen. Ich habe diese Aufnahmen (abgesehen vom Titelstück von „The Sermon“) seit langem nicht mehr angehört und bin von der Session vom 25. August 1957 gerade eher ein wenig enttäuscht, aber auch „The Sermon!“ kriegt nicht die im voraus prognostizierten vollen fünf sondern einen halben weniger.

Die Japanische Ausgabe von „Confirmation“ (1981, zwei Jahre nach der US-LT-Veröffentlichung) hatte ein anderes Cover:

Es bleiben drei Tracks von der 1957er-Session, das Trio (mit Burrell und Bailey) „Little Girl Blue“ von „On the Sunny Side“, sowie zwei, die auf der LP „Special Guests“ (Japan, 1984) herauskamen, „Blue Room“ und „‚S Wonderful“, ersteres ein Feature für Curtis Fuller (im Trio mit Smith und Bailey) und letzteres ein Feature für Lee Morgan (mit McFadden, Smith und Bailey):

Auf dieser LP finden sich je zwei Stücke von drei Sessions – neben den beiden von 1957 in der Mitte der LP zum Auftakt die einzigen zwei veröffentlichten Stücke einer Session vom 13. Juni 1960 mit Stanley Turrentine, Sam Jones und Bailey (die dem CD-Reissue von „Prayer Meetin'“ als Bonustracks beigefügt wurden), und zuletzt die beiden Bonustracks vom 31. Januar 1963, als Smith ein Trio-Album mit Grant Green aufnahm (die beiden Stücke wurden dem CD-Reissue de Albums, „I’m Movin‘ On“, beigegeben).

„‚S Wonderful“ ist eine wunderbar entspannte Nummer – hier scheint die ganze Last von der Band zu fallen, Morgan präsentiert das Thema, McFadden folgt mit einem schönen Beitrag und Smith liefert dann das Sahnehäubchen, bevor Morgan für ein zweites Solo zurückkehrt. Wenn ich mir diese Aufnahme und „Flamingo“ von der 1958er-Session anhöre, finde ich es sehr schade, dass Morgan sonst nicht mehr mit Orgel zu hören ist. Und bei Fuller liegt der Fall ähnlich, denn auch er ist auf „Blue Room“ maximal gut drauf – und das Klanbild – Posaune, Orgel, Drums – sehr attraktiv. Schade, dass damals niemand auf die Idee kam, auch mal ein Album von Lee Morgan mit mit Smith zu machen. Oder eins mit Fuller. So attraktiv die Jam-Sessions in ihren besten Momenten sind („The Sermon“, „Au Privave“, „J.O.S.“), so schön wäre ein ganzes Album in so einer kleineren Besetzung mit einer fokussierteren Band. Die personelle Trennung zwischen Jazz und dem „chitlin‘ circuit“ war aber wohl so stark, dass selbst bei Blue Note, wo ja echt nicht abschätzig auf Organisten herabgeblickt wurde, diejenigen Musiker, die auf beiden Seiten tätig waren, sehr wenige sind: Blue Mitchell wurde immer wieder bei Orgelsessions eingesetzt, das aber vor allem bei denen von Lou Donaldson, der ja selbst einer war, der in beiden Gebieten unterwegs war. Bei Burrell oder Blakey beschränkte sich das Mitwirken bei Orgel-Sessions vermutlich rein auf das Plattenstudio, bei Tina Brooks weiss ich das gerade nicht, aber es spielt insofern keine Role, als er bei Blue Note ja ziemlich schnell wieder raus fiel. Relevant ist da aber noch die dritte Jam-Session von Smith, aufgenommen 1960 und erst ein paar Jahre später auf zwei LPs veröffentlicht: neben Blue Mitchell sind dort auch Jackie McLean und Ike Quebec zu hören – letzterer nahm ja mit Freddie Roach zwei wunderbare Alben auf, McLean mit Orgel ist aber einmal mehr eine Seltenheit.

Wie im Februar 1957 gab es auch ein Jahr später nicht nur eine Session. Am Tag darauf, am 26. Februar 1958, ging Smith mit McFadden, Bailey, Burrell … und nein, nicht Art Blakey sondern Philly Joe Jones, gleich noch einmal ins Studio. Fünf der elf Stücke laufen unter „rejected“, die anderen sech erschienen 1965:

Jimmy Smith – Softly as a Summer Breeze | Los geht es mit der Ballade „These Foolish Things“ in sehr gemütlichen Tempo, Burrel präsentiert das Thema. Wie auf den nächsten drei Stücken sind hier Kenny Burrell und Philly Joe Jones zu hören. Letzterer hatte zwar davor nie mit Smith aufgenommen, aber wie sein Übername sagt, stammte er aus derselben Stadt und kannte Smith, wie Leonard Feather in den Liner Notes schreibt, „almost as far back as he can remember“

„I think the first time we met, I must have been about ten years old, and Jimmy was eight,“ says Philly. „We didn’t go to the same school, but we were raised in the same wild Philadelphia neighborhood, and I remember him as a fine pianist.
„Although we didn’t work together officially, he would drop by and sit in in clubs where I was working, or we would play together on after hours session. I first heard him trying out the organ a short time before he finally decided that this was his calling.
„Jimmy’s never changed basically, though of course his control of the instrument is greater than ever. I guess you’ve heard about how every Christmas, if he can arrange to be in town, he’ll play carols on the pipe organ at Wanamaker’s in Philadelphia. He’s a real organist, no jive artist; it doesn’t have to be an electric organ for him–he can make anything holler!“

Es folgt Monks „Hackensack“, ein Riff über die Changes von „Lady Be Good“ – und nach Burrells feinen Solo übernimmt Smith für eins seiner tollen, perfekt konstruierten Soli, während Jones im Hintergrund immer aktiver wird. Burrell steigt wieder ein und die Fours von ihm und Smith mit Jones beginnen. Ich wünsche mir, wenn ich dieses Stück höre, auch da sofort mehr – dass die zwei sich kannten ist das eine, das andere ist, dass sie perfekt zusammen spielen. Die A-Seite der LP schliesst dann wieder mit einer Ballade, „It Could Happen to You“, einmal mehr von Burrell vorgestellt. Smith übernimmt für die zweite Hälfte und gleitet aus dem Thema perekt in das Solo über. Burrell übernimmt dann noch einmal und ist wie immer an Smiths Seite hervorragend.

Die B-Seite öffnet mit dem längsten Stück der Session, „Sometimes I’m Happy“, etwas über acht Minuten lang und die letzte Nummer mit Burrell und Jones – Feather schreibt, das Stück von Youmans sei von 1925 und fügt in einer Klammer an „the same year Jimmy was born“ (und Jones kam 1923 zur Welt, d.h. 1925 als Geburtsjahr von Smith ist wohl schon sehr wahrscheinlich, woher 1928 kommt, weiss ich nicht, aber steht halt so auf Wiki mit Verweis auf einen Nachruf). Das Tempo ist hier mittelschnell, der Groove sitzt von Anfang an perfekt, Smith spielt hinter Burrell – der einmal mehr die Melodie präsentiert – eine Four-to-the-Bar Begleitung, Jones gebraucht die Besen, kickt aber die Band auch so etwas härter als Bailey. Nach dem Thema greift er zu den Sticks, wenn Smith zum Solo ansetzt.

Die letzten zwei Stücke der Session, die auch tatsächlich nach den obigen vier entstanden, sind dann mit McFadden und Bailey, der Working Band von Smith. Im Gershwin-Song „Someone to Watch over Me“ stellt McFaddden das Thema vor, der Closer ist dann dem Gast gewidmet, „One for Philly Joe“, Smith swingt hart und glänzt, wie Feather betont, mit seinen Basslinien.

Smith nahm ja ab 1962 bereits für Verve auf, wo er schon für seinen Einstand mit dem phänomenalen „Bashin‘ – The Unpredictable Jimmy Smith“ nicht nur ein neues Attribut verpasst kriegte, sondern auch erstmals mit einer grossen Band (von Oliver Nelson arrangiert) aufnehmen konnte. Bis Anfang 1963 folgten noch ein paar letzte Blue Note-Session (ob der Titel „I’m Movin‘ On“, den eine dieser Sessions enthielt, ein Kommentar zum Label-Wechsel war, weiss ich nicht), für die letzte Session schaute auch Lou Donaldson noch einmal vorbei („Rockin‘ the Boat“). Smith hatte für Blue Note aber so viel aufgenommen, dass noch bis 1968 regelmässig neue Alben bei Blue Note erschienen. Und das war, wie „Confirmation“ und weitere verspätete Alben zeigten, noch längst nicht alles. Das wohl letzte Smith-Album für Blue Note erschien erst 2007 unter dem Titel „Straight Life“. Doch dazu kommen wir später …

Die Connoisseur-CD (und die spätere RVG) von „Softly as a Summer Breeze“ enthalten als Bonus noch vier Tracks, die auf zwei Singles erschienen und mit dem Sänger Bill Henderson, dem Gitarristen Ray Crawford und Bailey am 14. Oktober 1958 in Van Gelders Studio aufgenommen wurden. Die vier Stücke sind gemäss ihrem Verwendungszweck zwischen 2:40 und 3:25 Minuten kurz, aber ziemlich gut.

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