Startseite › Foren › Kulturgut › Für Cineasten: die Filme-Diskussion › Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II) › Antwort auf: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)
Zur Zeit schaue ich viele Filme vom Ende des 19. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts, zuletzt (und erwähnenswert):
The Countryman and the Cinematograph (Robert W. Paul, 1901)
In diesem ca 11 Sekunden langen Film sehen wir einen Mann vom Lande, der zum ersten Mal in seinem Leben in einem Kino ist und dort mehrere Kurzfilme schaut. Damit ist dieser Film wohl der erste, der einen Film im Film zeigt. Unter anderem lauft auf der Leinwand eine Sequenz, die stark an L’Arrivée d’un train en gare de La Ciotat der Gebrüder Lumière von 1895 erinnert. Denn der Countryman reagiert auf den auf ihn zufahrenden Zug so, wie es die Zuschauer der Legende (die Wohl bewusst zu Werbezwecken gestreut wurde) nach bei der Premiere von L’Arrivée taten. Er wird panisch. Scheinbar hatte dieser urbane Mythos schon damals eine große Verbreitung.
Uncle Josh at the Moving Picture Show (Edwin S. Porter, 1902)
Dieser Film zitiert den Countryman und ist quasi ein Remake mit etwas mehr Dauer, mehr Filmen im Film und leicht geänderter Handlung. Auch Uncle Josh (der Kinobesucher) reagiert auf die Filme noch ohne jede Filmerfahrung, die heutige Zuschauer haben. Wird im Film getanzt, so tanzt Josh mit. Auch Josh erkennt nicht den bildhaften Charakter des Zuges, der auf der Leinwand auf ihn zufährt. Und am Ende wird hier tatsächlich buchstäblich die 4. Wand durchbrochen, aber nicht etwa von dem Zug. Statt dessen fühlt Josh sich provoziert, zerstört die Leinwand und prügelt sich mit dem Vorführer. Man sieht, nicht nur die Filmschaffenden mussten den Umgang mit dem neuen Medium erst noch lernen, auch die Zuschauer mussten erst herausfinden, wie ihre Rolle beschaffen ist.
Fun Facts: Dies ist der dritte Film mit Uncle Josh, damit ist Uncle Josh quasi das erste Franchise der Filmgeschichte (ich kenne zumindest kein älteres). Und der Darsteller des Josh, Charles Manley, arbeitete am 14.4.1865 im Ford’s Theatre und war daher Zeuge des Attentats auf Abraham Lincoln.
--
And all the pigeons adore me and peck at my feet Oh the fame, the fame, the fame