Antwort auf: Female Voices in Jazz (war: 25 feine Damenstimmen)

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gypsy-tail-wind
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Stelle das mal hier rein – gucke gerade den Film über die kürzlich verstorbene Sängerin und Tänzerin Othella Dallas (1925-2020), die aus New Orleans kam, in den Vierzigern einen Schweizer heiratete und seither immer wieder hier auftrat (in der zweiten Hälfte der Fünfziger gingen sie nach New York), bis kurz vor ihrem Tod – leider habe ich sie nie live gehört, eher nicht so ganz meine Baustelle, hatte ich gedacht, was sicherlich ein Fehler war.

Sie tanzte mit der Compagnie von Katherine Dunham (die sie 1943 entdeckte), ihre Nachfolgerin in der Compagnie war Frances Taylor (später Davis – Dallas: „She had bad teeth.“), in Paris traf sie u.a. auf Josephine Baker. Zur Beerdigung ihrer Mutter konnte sie nicht in die USA zurückkehren – sie hätte dort bleiben müssen, hatte die Wahl, selbst zurückzukehren oder Geld zu senden. Zu dem Zeitpunkt war sie bereits mit dem Schweizer Ingenieur verheiratet (oder verlobt?) und die Rückkehr keine Option. In Zürich unterrichtete sie nach der Heirat (1949) eine ganze Generation von Schauspieler*innen des damaligen Stadttheaters (Schauspielhaus und Opernhaus wurden erst später getrennt), Namen die hier gross waren, aber auch allmählich in Vergessenheit geraden (sie sind in ihren 90ern oder auch längst tot).

In den Fünfzigern in den USA hatte sie dann grossen Erfolg, stand beim selben Manager unter Vertrag wie Dorothy Dandridge und Lena Horne … Nat Cole sang mit ihr, sie trat im Apollo Theater auf, sang in „Free and Easy“ mit Quincy Jones (der Show, mit der Q und seine Big Band pleite gingen und in Europa strandeten). Dallas ging dann wieder heim in die Schweiz. Ab den Siebzigern unterrichtete sie dann in Basel die Dunham-Methode, von 1982 in ihrer eigenen Tanzschule.

https://www.swissfilms.ch/de/film_search/filmdetails/-/id_film/0132A394970740F08BFD200E85C260EA

Bemerkenswert ist eine traurige Episode aus ihrer Kindheit in Memphis: ihre Grossmutter wollte das Mädchen dem Vater mitgeben, der in New Orleans mit einer neuen Frau eine neue Familie gegründet hatte. Othella wurde zurechtgemacht, die Grossmutter brachte ihr bei, wie sie die Treppe herunterkommen sollte. Doch es dauerte nur eine Sekunde, bis zur Entscheidung der neuen Frau des Vaters: Niemals nehmen wir die mit, die ist zu schwarz! Othella Dallas ist ein Künstlername, ihr eigentlicher Familienname ist Strozier – und Frank Strozier war ihr Halbbruder.

O-Ton Dallas: „And they came from New Orleans to look at me. And they says ‚Hm-m, she won’t do, we can’t take her, she’s too black.‘ […] Because you have classes: you have black, you have octoroon, and you have the quarteroon. At that time there was three … colors. Now, as I said, my half-sister was looking blond […] and Frank is very white, you saw that. […] But anyway, so, I didn’t fit in with that family, so I had to stay with my grandmother – she couldn’t even give me away, you know.“

Noch wenn sie das erzählt, wohl 80 oder noch mehr Jahre später, ist sie sichtlich mitgenommen. Drei warme Mahlzeiten hätte sie gekriegt, kein Wasser schleppen müssen – „Fuck that I was so brown that I couldn’t go with the people. […] You see, now that’s segregation, put into black folks.“

Hier findet sich ein Nachruf inkl. Interview von 2013:
https://www.bluewin.ch/de/leben/lifestyle/othella-dallas-starb-mit-95-im-himmel-kann-ich-nicht-tanzen-478108.html

Das Video oben stammt von 2017 – und da hätte ich natürlich vor Ort sein sollen …

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba