Antwort auf: Jahresrückblick 2020

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gypsy-tail-wind
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Jonathan Powell – Sorabji: Sequentia Cyclica (*****)

Víkingur Ólafsson – Debussy/Rameau
Mahan Esfahani – Musique?
Rudolf Buchbinder – The Diabelli Project
Grigory Sokolov – Beethoven/Brahms/Mozart
Stephen Hough – Brahms: The Final Piano Pieces
Judith Wegmann – Le Souffle Du Temps II – Refléxion
Maroussia Gentet – Invocations (Concours d’Orléeans Live)
Marc-André Hamelin – Liszt/Thalberg: Opera transcriptions & fantasies

Jan Michiels – Bach-Busoni
Maurizio Pollini – Beethoven: The Last Three Sonatas Opp. 109-111
Marc-André Hamelin – Feinberg: Piano Sonatas 1-6
Duo Tal & Groethuysen – Febel/Bach: 18 Studies on „The Art of Fugue“
Igor Levit – Encounter
Bertrand Cuiller – François Couperin l’alchimiste: Les Années de jeunesse (Vol. 2)

Khatia Buniatishvili – Labyrinth

Klaviermusik … eine meiner grossen Lieben in Sachen Klassik … und ich merke gerade, dass die letzte unter Kammermusik besprochene CD gerade so gut hier gepasst hätte (Tal & Groethuysen sind auch hier). Egal.

Die Sorabji-Box (7 CDs, eine der Variationen ist so lang, dass sie nicht mal auf einer CD Platz findet) ist der Hammer. Nicht, dass ich das fassen könnte, aber die Musik wie auch die Interpretation von Jonathan Powell beeindrucken mich schwer. Die einzige Veröffentlichung von 2020, der ich die vollen fünf Sterne gebe.

Am andere Ende Khatia Buniatishvili … abgezählt liegt sie bei drei Sternen, und weniger möchte ich wohl auch nicht geben, denn es sind schon einige schöne Sachen dabei – aber das funktioniert dann doch zu oft nicht, im Gegensatz zu ihrem anderen Album, „Motherland“, das als Ganzes viel besser klappt, und im Gegensatz zu ihren Repertoire-CDs, die mindestens immer zum Nachdenken anregen, selbst ihr eingenartiger Schubert neulich.

Dazwischen finden sich weitere wunderbare Scheiben, die nur haarscharf an den vollen Fünfen vorbeischrammen, besonders Ólafsson und Esfahani, aber auch das hervorragenden Diabelli-Projekt von Buchbinder. Ólafsson verbindet Rameau und Debussy – und das wirkt in seinen Händen absolut logisch. Ich brauche da die früheren DG-Alben auf jeden Fall auch noch! Bei Esfahani bin ich schon eine Runde weiter. Er ist es ja, der auch Mel Powell spielt (klick) und den ich auch im Konzert hörte – ein Schüler von Zuzana Ruzicková, der sich nichts weniger zum Ziel gesetzt hat, das Cembalo wieder populär zu machen. Wenn ich aufgrund des Publikums beim Konzert in Zürich schliessen darf, gelingt das noch nicht ganz, aber es waren schon ein paar jüngere Leute da (ein paar wirklich junge, aber auch einige wie ich, irgendwo in der Lebensmitte und nicht wie der grosse Rest schon auf der Zielgerade). Auf „Musique?“ spielt er zeitgenössische Werke und Werke aus dem 20. Jahrhundert – und das ist so gute Musik (aber klar doch!), dass ich mir wirklich wünsche, dass er damit auch mal ein grösseres Publikum finden würde (aber „zeitgenössisch“ und „grösseres Publikum“, hm, there we go again – zudem ist das Instrument natürlich für grosse Häuser eh nur bedingt gemacht).

Rudolf Buchbinders Beitrag zum Beethoven-Jubiläum besteht aus einer Neueinspielung der Diabelli-Variationen, die für sich schon sehr hörenswert ist. Darüberhinaus hat er aber eine Auswahl der damaligen Variationen anderer Komponisten eingespielt – und neue in Auftrag gegeben. Da sind interessante neue Stücke u.a. von Manoury, Auerbach, Richter oder Widmann dazugekommen. Bin ja dem Jubiläum nicht im grossen Stil hinterhergerannt, aber das ist wohl für mich der schönste Beitrag in Sachen Tonträger.

Auch Sokolovs jüngste CD enthält Beethoven, die Sonate Nr. 3 und die Bagatellen Op. 119 (CD1), zudem Brahms Opp. 118 und 119 sowie einen Zugaben-Strauss (CD2) – das ist ein Konzertprogramm von 2019. Auf DVD gibt noch ein zusätzliches Konzertprogramm von 2017 mit Mozart (KV 545, KV 475/457), Beethoven (Op.p 90 & 111) und abermals Zugaben. Das ist natürlich auch toll – aber zugleich sind Sokolovs CD-Veröffentlichungen, die seit ein paar Jahren bei DG erscheinen, Konzertdokumente, und das meist von Konzertprogrammen, die ich auch gesehen habe. Das mindert für mich den Wert der CDs schon ein wenig.

Von Brahms ist der Weg aber kurz zu einer CD, die vielleicht vor Sokolov in die Liste gehörte: Stephen Hough hat das gesamte Spätwerk von Brahms für Klavier solo bei Hyperion herausgebracht – und das ist ganz wunderbar geworden (reiht sich bei mir neben die Doppel-CD von Koroliov bei Tacet von 2019 ein, die alle Intermezzi – und daher teils keine vollständigen Opera – enthält).

Und nochmal zu Beethoven zurück: auch Pollini leistet da seinen Beiträg zum Jubiläum: bei DG sind Neueinspielungen von Konzerten in München von den letzten drei Sonaten (opp. 109-111) erschienen. Das ist schon sehr toll, aber meine Ambivalenz Pollini gegenüber lege ich in diesem Leben vermutlich nicht mehr ganz ab.

Noch vor Pollini reihen sich drei weitere feine CDs ein: die Debütantin Maroussia Gentet mit einem sehr schönen Programm aus Bekanntem in schlüssigen Sichtweisen und Neuem, der irre Marc-André Hamelin mit Operntranskriptionen nicht nur von Liszt sondern auch vom wenig bekannten Sigismond Thalberg (und in „Hexameron“ auch Chopin, Czerny, Herz und Pixis), zudem Jan Michiels, der in Sachen Bach-Busoni noch vor dem Lockdown-Album von Igor Levit landet, der im Sommer Choralvorspiele von Bach/Busoni, Brahms/Busoni, zudem Brahms-Bearbeitungen von Reger und Morton Feldmans „Palais de Mari“ einspielte. Ein schönes Album auf jeden Fall, eines, das Zeit braucht – aber am Ende finde ich es nicht so gut wie sein Album „Life“ von 2018, das auch schon einige tolle Busoni-Einspielungen enthält.

Von Hamelin kam noch eine schöne neue CD dazu, die ersten sechs Klaviersonaten von Samuil Feinberg – vielleicht steigt diese in meiner Gunst noch, würde mich nicht überraschen (Aufnahmen von Feinberg selbst habe ich 2020 auch zum ersten Mal gehört, mit seinem Bach kam ich allerdings noch nicht sehr weit)

Dann sind da noch Tal & Groethuysen mit Febel/Bach, „18 Studies on ‚The Art of Fugue'“ – lief noch nicht oft, aber gefällt schon ziemlich gut!

Und noch aus der Cembalo-Rubrik die zweite Folge von Bertrand Cuillers Couperin-Einspielung, die diese Mal auch Chormusik (Messen) umfasst. Da bin ich auf Fortsetzung unbedingt gespannt, jedenfalls schon jetzt ein tolles Projekt!

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