Antwort auf: Jack DeJohnette

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redbeansandrice

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Jack DeJohnette ‎– Sorcery

Was macht man als Kuenstler, wenn man zwei 14 minuetige Tracks hat? Ein sehr kurzes Album? Man nimmt nochmal zwei starke 5 minuetige Tracks auf? Auf Sorcercy, seinem Debut fuer Prestige von 1974 hat sich deJohnette fuer die zweitfaulste Loesung entschieden: vier belanglose drei minuetige Tracks, die keinem wehtun, weil sie ja nur drei Minuten haben… Kurz zu Prestige: Orrin Keepnews und Milestone wurden Anfang der 70er von Fantasy geschluckt, denen Prestige bereits gehoerte, einzelne Milestone Kuenstler wurden im Zuge dieser Uebernahme in Prestige Kuenstler umgelabelt, Gary Bartz ist ein anderes Beispiel, aber es blieb effektiv Milestone … was bei einem von deJohnette daheim in Woodstock selbstproduzierten Album eigentlich eh egal ist.

Das Album geht super los. Der 14minuetige Track, Sorcery, wird das Highlight bleiben, Bennie Maupin spielt Bassklarinette, Gitarren gibt es von Mick Goodrick und John Abercrombie, Bass von Dave Holland, Schlagzeug und Orgel von deJohnette, alles Spitzenkraefte. Aehnliche duestere Grooves, getragen von Hollands Bass, kann man wohl auch auf den richtigen Miles Alben hoeren, Maupins Bassklarinette glaenzt mit einem langsamen Solo im hohen Register, die Spannung baut sich auf und ab, eine Freejazzeruption, ein Basssolo und dann noch ein Moment, in dem Abercrombie ein bisschen glaenzen kann… Toptrack, gerne ****.

Hiernach sind die Erwartungen hoch und es kommt direkt der Tiefpunkt des Albums, auf „The Right Time“ sagen alle immer wieder durcheinander „The time has come“ und das wars – sowas konnte Sun Ra um Klassen besser und selbst da kann es nerven, gute gemeinte *1/2. Der zweite drei (bzw vier) minuetige Track von Seite 1 heisst „The Rock Thing“, nochmal ein stilistischer Bruch aber auch das auf seine Art ein belangloser Track, es gibt einen Groove von Holland und deJohnette und darueber duerfen die Gitarristen mal so richtig durcheinander solieren… jeder, der Mal mit E-Gitarristen gespielt hat, weiss, dass man denen sowas nicht zweimal sagen muss, Durcheinanderjammen ist, was alle Gitarristen am liebsten tun… aber normalerweise landet sowas nicht auf dem Album, **1/2.

Das war Seite 1, auf Seite 2 reduziert sich die Band auf Holland, deJohnette und seinen Nachbarn den Bildhauer Michael Fellerman, der ein bisschen Posaune spielen kann. Es beginnt wieder mit dem 14 minuetigen Track, einer Hommage an Martin Luther King, die sich in etwa drei Teile zerlegen laesst. In den ersten fuenf Minuten spielt deJohnette Orgel und Schlagzeug (singt auch ein bisschen) waehrend Holland Bass spielt, es beginnt beinah pastoral und dann erhoehen sie langsam den Druck. Ab Minute 5 wird es nochmal ruhiger und die Blaeser setzen ein, Felleman spielt auf der Posaune am liebsten lange tiefe Toene, deJohnette auf seinen beiden C-Melody-Saxophonspuren eher so zarte Phrasen… die Energie zieht dann ueber die Minuten mehr und mehr an, es geht ins Herz des Free Jazz mit mehreren gackernden Saxophonen die scheinbar (huestel) durcheinanderspielen… Die letzten fuenf Minuten beginnen mit einem Feature fuer Holland, dahinter Schlagzeug, nach und nach zieht es wieder mehr und mehr an und es gibt nochmal ein Orgelsolo, ein kreischendes Saxophon darf auch nochmal dazwischentroeten bis es am Ende wieder pastoral wird… hmmm, die besten Momente sind echt ok, ***.

Bleibt das Fuellmaterial von Seite 2. „Four Levels of Joy“ ist eine melodischer, hochmonotoner Keyboardtrack, der auch in einem Morricone Soundtrack nicht deplatziert waere – hier aber tendentiell schon, **1/2. Danach sind die Erwartungen niedrig, werden aber von Epilog klar uebertroffen. Das ist nochmal ein etwas rockigeres Stueck, auf dem deJohnette und Holland einen tollen verzahnten Groove haben, und deJohnette drueber mit seiner Orgel nichts falsch macht, passt gut zu dem Einstiegstrack von Time & Space, ****.

Und damit waere deJohnettes Fruehwerk als Leader tendentiell abgeschlossen, das naechste Album, Cosmic Chicken, immer noch auf Prestige, ist das erste seiner Band Directions, und auch die ersten Gateway Trio Alben fuer ECM stehen an…

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