Antwort auf: Miles Davis und Karlheinz Stockhausen – wechselseitige Beeinflussungen?

Startseite Foren Über Bands, Solokünstler und Genres Eine Frage des Stils Blue Note – das Jazzforum Miles Davis und Karlheinz Stockhausen – wechselseitige Beeinflussungen? Antwort auf: Miles Davis und Karlheinz Stockhausen – wechselseitige Beeinflussungen?

#11263857  | PERMALINK

vorgarten

Registriert seit: 07.10.2007

Beiträge: 11,970

gypsy-tail-windAber klar, ich finde inzwischen die Sitar-Band von Davis auch ziemlich phantastisch (war früher auch anders, ich hielt „In Concert“ wohl für das am wenigsten interessante Album der Jahre 1970-75, hielt es für irgendwas zwischen misslungen und mittelmässig), und klar muss das nicht viel mit dem „klassischen“ Einsatz der Sitar zu tun haben, aber eben: da hinterfrage ich halt das Gerede von „Integration“. In der klassischen indischen Musik ist die Sitar ein Solo-Instrument (und nichts anderes, soweit ich weiss), gespielt vom Meister, der dann einen Lakaien an der Tabla dabei hat. Die Sache mit der Spontaneität in der indischen Musik ist ja auch so eine Sache. Ich kenne leider wenig jüngere Leute, aber was ich bisher gehört habe, beschränkte sich eigentlich immer auf ein Imitieren nach dem Schema: der Meister spielt eine Phrase (natürlich alles in einer festen Form), dann lässt er den Begleiter dieselbe Phrase wiederholen, was natürlich sehr verblüffend sein kann und ein westliches Publikum (das aber eher Mozart als Miles oder Stockhausen gewohnt sein dürfte) regelmässig in grösste Verzückung bringt (z.B. Bansuri + Tabla, die Flöte spielt was, und dann kann der Typ mit den Trommeln, die ja gar keine „Melodie“ können, eben diese Melodie so ähnlich auch spielen). Ein richtiger Dialog findet da eher nicht statt, die Rollenverteilung ist sehr klar – und vollkommen anders, als sie bei Davis‘ Bands jener Zeit war.

(das müsste jetzt wieder in den miles-thread, sorry.)

ja, wie geplant das war oder auch nicht, jedenfalls hatte davis mit balakrishna und roy plötzlich zwei sehr originell improvisierende musiker dabei, die nicht nur klangfarben blieben – wenn man sich die interaktionen von roy und mtume anhört, die in jedem der konzerte zu dieser zeit ein highlight sind, oder die art, wie sich balakrishna mal mit henderson, mal mit gaumont verzahnt und dann plötzlich ein e-gitarrensolo spielt… gewünscht waren von ihm wahrscheinlich urpsrünglich nur diese irren arpeggien, die aus der auropäischen gestimmtheit der anderen instrumente herausfallen, das ist ja wirklich ein toller effekt – und die entwicklung ist glaube ich von zawinul angeregt, dem einsatz von drei elektrischnen tasteninstrumenten über einer minimalistischen großen entwicklung, die vielschichtigkeit im detail, die permanente produktion von interessanten sounds, die das große ganze nicht verändern, aber flirren lassen. das wurde dann durch die indischen instrumente ersetzt, aber auch lawson spielt ein viel soundorientierteres keyboard als corea/hancock auf FILLES DE KILIMANJARO z.b. und dann kommt irgendiwe stockhausen rein, vielleicht sogar durch die anderen stimmungen der sitar und die noise-effekte von ring-modulator usw. da übernimmt ja dann miles auch die orgel, schmeißt lawson raus, und die musik wird ein statischer tranceteppich. irgendwann fehlt auch die sitar und miles hat plötzlich drei gitarristen. am ende, 1975, ist das eine band, die blitzschnell zwischen völlig verschiedenen sounds und stimmungen wechseln kann, fast patchworkartig kommt da ein blues-gitarren-klischee-solo, dann geräuschloops, dann ein r&b-beat, dann ein tranceteppich, dann eine trompete wie aus „l’ascanseur pur L’échafaud“… da ist die band quasi postmodern geworden, der trip eine collage, alles viel dynamischer, man kommt nicht mehr hinterher. DARK MAGUS ist da vielleicht die kippfigur, einerseits ein manipulierter drumcomputer, andererseits jimi hendrix…

zuletzt geändert von vorgarten

--