Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!

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vorgarten

Registriert seit: 07.10.2007

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atomBei „Jumpworld“ und anderen JMT Alben dieser Zeit sind es manchmal nur minimale Aspekte der Sound-Ästhetik, die bei mir eine Blockade verursachen. Ich hänge mich dann unbewusst zu sehr an diesen Details auf und höre dann vielleicht die Essenz nicht heraus.

das ist für mich gerade sehr interessant. könntest du diese details genauer beschreiben?

ich bin mir nicht sicher, ob sich daraus eine diskussion entwickelt, sonst müsste man sie in den m-base-thread verschieben, aber ich frage mich wirklich, was das eigentlich für ein projekt war, das eine deutsche plattenfirma so konsequent im dokumentieren einer ganz jungen szene in brooklyn ende der 80er, anfang der 90er betrieben hat. der sound kam ja von den marciano-brüdern, die das in ihrem systems two studio aufgenommen haben – was waren die ideen dahinter? wie genau lässt sich dieser sound beschreiben? joe marciano ist ja mittlerweile eine art legende und seine produktionen klingen heute (eigentlich schon seit mitte der 90er) sehr anders.

meine erstbegegnung mit steve coleman war über das dave-holland-quartett, wo ich den sound ziemlich warm fand, die drums swingend, das sax zwar sehr strukturiert, aber durchaus emotional. für mich war das ein kleiner schock, coleman danach auf den jmt-produktionen zu hören – ohne dass ich den sound damals wie heute mit irgendwas vergleichen könnte. das eine ist wahrscheinlich, dass die musik von isolierten drum-elementen ausgeht, einhergehend mit einer ziemlich neuen art, drums zu spielen. das andere die spezifischen synth-sounds. und dann war das ja eine szene von leuten, die in diesem sound ja total experimentiert haben, viele haben das auch schnell aufgegeben, aber es gibt ganz viele jmt-alben, auf denen gar nichts funktioniert und die ich damals schon direkt wieder verkauft habe. und es kann auch sein, dass das einfach ein sound-gegenentwurf sein sollte zu den traditionalisten (die ich damals überhaupt nicht anhören konnte, da habe ich lieber miles aufgelegt).

worauf ich aber mehr und mehr komme, gerade auch beim wiederhören der meiner ansicht nach sehr gelungenen produktionen wie z.b. JUMPWORLD, ist, dass die wichtigsten m-base-stimmen ja eben keine (weißen) 80er-jahre-supertechniker und sessionmucker waren, sondern eigentlich aus loft-szenen kamen und sehr persönliche, z.t. fragile stimmen hatten: haynes und wilson waren & sind erklärte nicht-virtuosen, osby, coleman und thomas haben sehr identifizierbare sounds, robin eubanks, jean-paul bourelly sind potenziell sehr warme spieler. vielleicht ist das, was mich daran interessiert, genau diese reibung von technisch isolierten sounds („m-base“ klingt einfach nicht nach direct-to-two-track und holz und fell und angefeuchteten rohrblättern) und einer humanität im umgang damit – z.b. das erste solo von haynes auf JUMPWORLD bringt das für mich genau auf den punkt. aber ich bin da tatsächlich auch ambivalent und versuche das nach 30 jahren mal wieder „frisch“ zu hören.

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