Antwort auf: Culture Wars, Kulturelle Aneignung, Identitätspolitik, Wokeism …

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latho
No pretty face

Registriert seit: 04.05.2003

Beiträge: 37,711

go1Kann schon sein, dass er Elvis mit diesem Satz ein bisschen Unrecht tut; ich kenne mich da nicht genug aus, um das zu beurteilen. Diese Meinung hat er aber nicht exklusiv, die hört man öfter. Und ich lege beiläufige Bemerkungen in mündlichen Interviews auch nicht auf die Goldwaage. Ich erinnere mich dunkel an die Geschichte, dass Arthur „Big Boy“ Crudup keine Royalties für „That’s All Right (Mama)“ bekommen haben soll. Damals scheint es häufig so gewesen zu sein, dass Musiker mit einem Handgeld abgefunden wurden, und viele Musiker hatten keine Rechte an ihren eigenen Songs. Aber in solche Details müsste ich mich nochmal einlesen.

Ich meine das schon so, dass Elvis Version hörbar anders klingt als die Vorläufer. Dafür müsste man aber wissen, worüber man schreibt (damit bist explizit nicht du gemeint, Go1, du weißt eigentlich immer, worüber du schreibst. Außer Elvis vielleicht ).

Außerdem:

If I’m taking music from somebody or learning from somebody, one: I’m gonna pay them for teaching it to me; two: I’m gonna credit them when I perform that piece, I’m gonna talk about issues their community might be facing, right – I will talk about the labour and environmental exploitation of Appalachia, I will talk about what the [? Native American] community will have to do to prepare for climate change there in their ancestral lands.

Da hatte ich weiter vorn schon drüber geschrieben, wie soll das aussehen? Dass ein 20-jähriger weißer Milchbart in einem Konzert ankündigt, dass er jetzt „Dark End Of The Street“ covern werde und der Song ja von James Carr, einem schwarzen Sänger mit psychischen Problemen geschrieben worden sei (ja, das soll ein Witz sein). Und dann einen Vortrag aus Wikipedia-Versatzstücken hält, in dem er seinem Publikum erklärt, dass Schwarze es schwer haben wegen der Sklaverei, die ganz böse sei und psychisch Angeschlagene noch mehr. Zwischendrin unterbricht er seinen Vortrag, weil ihm die Tränen ob seiner eigenen Gutheit kommen. Horror!
Ich verstehe das schon: Es ist halt Zeitgeist, es ist schick, „politisch“ zu sein, „sozialkritisch“ – ganz so wie in den 70ern (aber da konnte man wenigstens noch lesen, auch wenn es viele gar nicht taten). Und entsprechend viel Substanz hat’s dann auch. Dass Poststruktualismus in der Breite noch flacher wird, habe ich (es gibt Zeugen) schon in den frühen 90ern gesagt und die identity politics der Etablierten (in den USA – hier bei uns sind das nur Nachmacher) geben mir da recht. Irgendetwas zwischen Spiegelfechterei, Re-branding und angewandtem Disney. Und gerade im Kulturbereich geht es verdächtig oft um Geld oder Aufmerksamkeit. So auch hier – dass man Künstler im gesetzlichen Rahmen bezahlt, dass man sich als Bluesrocker nicht hinstellt und sagt „hab ich alles erfunden“, dass man, wenn man einen Künstler covert, ihn wohl ansatzweise gut findet, das ist und war selbstverständlich. Dass Schwarze in den USA wenig Geld haben und auf der sozialen Leiter unten stehen – das kommt daher, dass Elvis keine Tantiemen gezahlt hat?
So, rant Ende, schönes Wochenende.

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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.