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herr-rossi
bullschuetz Was aber passiert, ist, dass manche Leute JK jetzt auch noch als Dokument des Rassismus aus dem Kinderliteraturkanon ausgemeinden wollen.
Könnten wir uns vielleicht darauf verständigen, dass in den Medien jeden Tag unendlich viele Meinungen zu unendlich vielen Themen herausposaunt werden und erstmal nichts anderes sind als: individuelle Meinungen?
Das ist mir schon klar, aber ich finde den Einwand nicht sonderlich überzeugend.
Auf die Art lässt sich jedes der bislang in diesem Thread genannten Beispiele als Einzelfall oder bedauerlicher, nicht ernstzunehmender Auswuchs oder keinem größeren Kontext zugehörige individuelle Meinung abtun.
Ich finde aber, das wird der Fülle der einschlägigen „The Picture must go“-Einzelfälle schon lange nicht mehr gerecht. Sowas finde ich nicht hilfreich, um den Kern der Debatte scharf gestellt zu kriegen.
Mich ärgert es zum Beispiel auch, wenn Polizeigewerkschafter nach jedem Rassismusskandal in ihrem Apparat von „Einzelfall“ reden und jeden, der strukturelle Fragen zu stellen wagt, als Uebertreiber verunglimpfen.
Allerdings würde ich nun auch kein Drama daraus machen, das N-Wort in künftigen Ausgaben durch etwas für heutige (Vor-)Leser angemesseneres zu ersetzen.
Ich auch nicht. Wenngleich ich gerade die N-Wort-Stelle in Jim Knopf ziemlich lustig finde.
Der Witz ist doch, dass aus dem Paket ein kleiner schwarzer Junge guckt, worauf ein Inselbewohner, um seine Weltlaeufigkeit und Bildung zur Schau zu stellen, „das dürfte vermutlich ein kleiner Neger sein“ sagt.
Wenn er über den kleinen schwarzen Jungen sagen würde, dass es sich um einen kleinen schwarzen Jungen handelt, wäre der Witz jedenfalls im Eimer. Oder wollen wir Herrn Ärmel sagen lassen: „Scheint ein BIPoC zu sein“? Das wäre schon wieder komisch, aber eher unfreiwillig.
Der Witz im Original ist nicht nur ein herrlich beiläufiger und augenzwinkernd nachsichtiger Witz über die provinizielle Beschraenktheit in Lummerland and elsewhere – im Grunde steckt da auch unsere ganze Debatte drin: Ist Herr Ärmel, wenn er sowas sagt, ein Rassist (wie jene Menschen, die „alle“ Musik zu mögen behaupten, obwohl sie diverse asiatische Folklorespielarten nie gehört haben)? Oder ist Herr Ärmel genau wie die musikalischen Allesmoeger eigentlich ein ganz netter und menschenfreundlicher Herr, auch wenn sich seine Sprachsensibilitaet nicht auf allerhöchstem Niveau bewegt?
Ich fürchte jedenfalls, eine moralische „Verbesserung“ dieser Passage wäre literarisch eher eine Verschlechterung. Und wenn wir schon da Hand anlegen müssten – was machen wir dann erst mit manchen Geschichten von Kleist?! Sowas wie die „Hochzeit in Santo Domingo“ müsste man ja zum Beispiel so komplett umschreiben, dass kein Stein auf dem anderen bliebe, denn mit dem Austausch von ein paar Worten wäre es da gewiss nicht getan.
zuletzt geändert von bullschuetz--