Antwort auf: Culture Wars, Kulturelle Aneignung, Identitätspolitik, Wokeism …

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nicht_vom_forum

Registriert seit: 18.01.2009

Beiträge: 6,438

bullitt

nicht_vom_forum
Aber auf der anderen Seite halte ich es schlicht für ein Gebot der respektvollen Umgangs miteinander, Leute grundsätzlich so zu bezeichnen, wie sie das selbst wollen.

Das mag in aller Regel so sein, dennoch muss es auch da Grauzonen geben, Sprache muss auch „edgy“ bleiben dürfen, und vor allem muss es meine eigene Entscheidung bleiben dürfen. Sanktionen für nicht-gendern an Unis finde ich z.B. ein absolutes no-go.

Das kommt m. E. auf den Kontext an – und darauf, ob es sich um spezifische Personen oder um Gruppen handelt. Du wärst wahrscheinlich auch wenig begeistert, wenn Dich ein Kollege mit konstanter Sturheit als „Frau Bullitt“ anspricht. Bei heterogenen Gruppen finde ich es wenig problematisch.

Was ich bei dem Thema „Sanktionen“ allgemein allerdings schwierig finde, ist dass die meisten der Fälle, die durch die Presse gehen, in irgendeinem Angestelltenverhältnis stattfinden. Und da hat der Arbeitgeber nunmal das Recht, bestimmte Verhaltensweisen vorzugeben. Auch hier kommt übrigens m. E. wieder eine US-Eigenheit zum Tragen, die das ganze unnötig verschärft: Bei Fällen wie dem von redbeansandrice genannten Professor hätte man in Deutschland eine Abmahnung ausgesprochen, der (angestellte) Dozent hätte sich entschuldigt und der Fall wäre abgehakt gewesen – man hätte ihm wahrscheinlich gar nicht gerichtsfest kündigen können. In den USA wird dann schlicht aus dem Grund der direkte Rausschmiss verlangt, weil er möglich ist und es seitens des Arbeitgebers kaum andere Reaktionsmöglichkeiten gibt.

Zudem merke ich zumindest bei mir, dass das seltsame Blüten im Alltag treibt. Die inzwischen verfängliche Frage „wo kommst du her?“ gehört nach wie vor zu einer meiner Standard-Kennenlernfloskeln, die ich alleine jobmäßig sehr oft anwende. Allerdings habe ich mich dabei ertappt, dass ich unbewusst ein sehr ausgeklügeltes Scan-System entwickelt habe, wen ich das frage und wen nicht. Dabei selektiere ich im Kopf Menschen nach überspitzt und grob formuliert „cooler Herkunft“ und „Opfer-Herkunft“ mit diversen Unterkategorien. Das finde ich letztlich viel diskriminierender, als wenn ich einfach die Frage stellen würde wie jedem Herkunftsdeutschen auch.

Das Problem bei „Wo kommst Du her?“ ist nunmal, dass „von hier“ implizit nicht zu den erwarten Antworten gehört.
Ich frage inzwischen, angenommen wir wären gerade in X-Stadt, halt einfach, ob die Person aus X-Stadt kommt. Da ist jede Antwort von „Ja, Nein, Y-dorf, Hamburg, Antananarivo“ völlig unproblematisch. Natürlich nur, wenn es sich nicht um offensichtliche Touristen handelt…

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Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away.  Reality denied comes back to haunt. Philip K. Dick