Antwort auf: Culture Wars, Kulturelle Aneignung, Identitätspolitik, Wokeism …

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#11202139  | PERMALINK

latho
No pretty face

Registriert seit: 04.05.2003

Beiträge: 37,711

nicht_vom_forum
Diese Diskussion finde ich aber von beiden Seiten ermüdend. Gerade bei Büchern, um die sich hier in Deutschland die letzte Diskussion drehte. Da hatten die selbsternannten Sprachwächter mit allen anderen Änderungen und Kürzungen bei echten oder vermeintlichen Kinderbüchern und deren Übersetzung überhaupt keine Probleme (case in point: In wie vielen Ländern war Gulliver doch gleich unterwegs?), aber wenn bei Pipi Langstrumpf „Negerkönig“ zu „Südseekönig“ neu übersetzt werden soll, geht’s auf die philologischen Barrikaden… So lange die Ursprungsfassung verfügbar bleibt, halte ich Änderungen bei den Kinderbuchversionen – auch bei Weltliteratur – für verschmerzbar.

Solange klar ist, dass das eine gekürzte Version ist, ist das ok. Wie an anderer Stelle mal berichtet: ich habe ein Buch mit den gesammelten Märchen Hauffs zuhause, dass meiner Mutter gehörte. Einige der Geschichten, die darin auftauchen wurden aus neueren Versionen nach ’45 zu recht entfernt. Ich halte es aber für wichtig, dass solche Bücher weiterhin erhältlich und zugänglich sind.

Ein deutsches „N-Wort“ samt Aussprachverbot einzuführen, halte ich auch für sinnfrei. Aber auf der anderen Seite halte ich es schlicht für ein Gebot der respektvollen Umgangs miteinander, Leute grundsätzlich so zu bezeichnen, wie sie das selbst wollen. Und dass sich in Deutschland selbst als Neger bezeichnen würde, wäre mir neu.

Das versteht sich von selbst. Ich benutze ja auch nicht die Anrede „Weib“, wenn ich mit einer Frau rede.

Da kommt bei mir wieder meine Vorliebe für Poppers „piecemeal social engineering“ durch. Ich halte die Gesellschaft durchaus für formbar (und geformt) durch Sprache und es dementsprechend für wichtig, darauf zu achten, was in verschiedenen Begriffen alles mitschwingt und ob das so richtig und gewollt ist: „Aktion Sorgenkind“ war schon ein selten dämlicher Name für eine Organisation, die sich für behinderte Menschen einsetzt. Andererseits halte ich irgendwelche Programme zur großräumigen Umgestaltung der Sprache aus verschiedenen Gründen für doubleplusungood und zudem nicht für zielführend. Gerade wenn man die sprachlichen Änderungen nutzt, um sich um die notwendigen „echten“ Änderungen herumzudrücken.

Das man auf Sprache, auch auf Bezeichnungen achtet, ist selbstverständlich, case in point: „Asylanten“ für Asylbewerber, „ethnische
Säuberung“ für Vertreibung und Völkermord. Aber hier wird auf den Kontext geachtet, diese „Kunst“ scheint mehr und mehr verlpren zu gehen. Dass das ganze Konzept schon nicht funktioniert, geht einem auf, wenn man mal darauf achtet, dass es ja ganz unterschiedliche Sprachwelten – je nach Schicht, Beruf, sozialem Umfeld – gibt.

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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.