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lathoDas Problem im deutschsprachigen Raum ist häufig auch, dass Begriffe und Betrachtungsweisen eins zu eins aus Amerika übernommen werden und der wahrgenommenen Realität übergestülpt werden. Dass der Begriff „indians“ ansatzweise schwierig ist, ist nachzuvollziehen, schließlich sind das keine Inder. Aber im Deutschen hat sich „Indianer“ eingebürgert, das finde ich bei weitem nicht so schlimm. Ebenso denkfaul ist die Einführung eines „N-Words“ auch im Deutschen.
Zustimmung.
Mark Twains Buch über Rassismus, Huckleberry Finn, soll „bereinigt“ werden.
Diese Diskussion finde ich aber von beiden Seiten ermüdend. Gerade bei Büchern, um die sich hier in Deutschland die letzte Diskussion drehte. Da hatten die selbsternannten Sprachwächter mit allen anderen Änderungen und Kürzungen bei echten oder vermeintlichen Kinderbüchern und deren Übersetzung überhaupt keine Probleme (case in point: In wie vielen Ländern war Gulliver doch gleich unterwegs?), aber wenn bei Pipi Langstrumpf „Negerkönig“ zu „Südseekönig“ neu übersetzt werden soll, geht’s auf die philologischen Barrikaden… So lange die Ursprungsfassung verfügbar bleibt, halte ich Änderungen bei den Kinderbuchversionen – auch bei Weltliteratur – für verschmerzbar.
Inzwischen gehen übereifrige selbsternannte Progressive dazu über das deutsche „Neger“ als „N-Wort“ bezeichnet – darf nicht mehr gesagt werden, die Leute, die das nicht einsehen, sind Rassisten, Nazis etc.
Ein deutsches „N-Wort“ samt Aussprachverbot einzuführen, halte ich auch für sinnfrei. Aber auf der anderen Seite halte ich es schlicht für ein Gebot der respektvollen Umgangs miteinander, Leute grundsätzlich so zu bezeichnen, wie sie das selbst wollen. Und dass sich in Deutschland jemand selbst als Neger bezeichnen würde, wäre mir neu.
Ich glaube aber, dass wir da alle nicht so weit auseinander sind: Ich bin gerne bereit, über die Formbarkeit von Gesellschaft durch Sprache zu diskutieren (mache ich eigentlich seit den 80ern, Warnung: ich halte das immer noch für Quatsch),
Da kommt bei mir wieder meine Vorliebe für Poppers „piecemeal social engineering“ durch. Ich halte die Gesellschaft durchaus für formbar (und geformt) durch Sprache und es dementsprechend für wichtig, darauf zu achten, was in verschiedenen Begriffen alles mitschwingt und ob das so richtig und gewollt ist: „Aktion Sorgenkind“ war schon ein selten dämlicher Name für eine Organisation, die sich für behinderte Menschen einsetzt. Andererseits halte ich irgendwelche Programme zur großräumigen Umgestaltung der Sprache aus verschiedenen Gründen für doubleplusungood und zudem nicht für zielführend. Gerade wenn man die sprachlichen Änderungen nutzt, um sich um die notwendigen „echten“ Änderungen herumzudrücken.
auf der anderen Seite hat bullitt aber durchaus recht, dass man die im Thread vielfach genannten Auswüchse durch Übereifrige, Dumme oder Wichtigtuer nicht einfach unter den Tisch kehren kann, so als wäre das eine seltene Ausnahme (und um klar zu sein: das hat hier keiner gemacht).
Auch hier wieder Zustimmung.
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Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away. Reality denied comes back to haunt. Philip K. Dick