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Als jemand, der zwar nur laienhaft, gelegentlich aber doch mit einem gewissen Anspruch fotografiert und als Freund von black music habe ich die Posts zum Thema Coverfotos farbiger Musiker hier interessiert gelesen und darüber gegrübelt. Vielleicht gehört das Thema eigentlich in einen extra Thread, aber der Einfachheit halber poste ich das mal hier. Will’s einfach loswerden.
Ich kenne aus eigener Erfahrung die Probleme, dunkle und kontrastarme Motive adäquat zu fotografieren. Umgekehrt sind auch starke hell-dunkel Kontraste schwer abzubilden. Entweder ist das eine überbelichtet oder das andere unterbelichtet oder das ganze Bild säuft irgendwo in der Mitte ab. Ein professioneller Fotograf erzählte mir mal, dass er bei Motiven mit schwierigen Kontrasten mehrere Fotos mit unterschiedlicher Belichtung macht. Diese überlagert er dann, damit am Ende ein Bild entsteht, das etwa der Wahrnehmung des Auges entspricht.
Porträtaufnahmen sind noch mal spezieller. Ich habe etwas recherchiert: „Black people photography“ in die Suchmaschine eingegeben.
Es gibt sogenannte „Shirley Cards“, die als Referenz zur Kalibrierung von Kameras und Filmen verwendet werden. Ursprünglich diente das Porträt einer weißen Frau („Shirley“) als Referenz, nach der Filme geeicht wurden. Hat man einen Menschen anderer Hautfarbe fotografiert, kam es zu Farb- und Helligkeitsverfälschungen, die man durch Einstellungen an der Kamera, durch die Beleuchtung oder bei der Filmentwicklung wiederum beeinflussen konnte. Seit den 70er Jahren sind die Shirley Cards auch deswegen nach und nach geändert worden, seit 1995 gibt es eine Card mit drei Frauen unterschiedlicher Hautfarbe.
Es scheint aber nach wie vor ein Thema zu sein, wie Menschen dunkler Hautfarbe fotografiert werden. Zum einen hat das mit einer weit verbreiteten Idealvorstellung von Hautfarbe zu tun. Da wird dunkle Haut auf dem Foto wohl ganz gerne mal etwas aufgehellt. Zum anderen hat die differenzierte fotografische Darstellung z.B. eines dunkelhäutigen Gesichts auch technische Eigenheiten gegenüber Porträts von Weißen – und natürlich auch umgekehrt. Hier äußert sich ein professioneller Porträtfotograf dazu. Und Fotos von „mixed couples“ sind ein Thema für sich.
Zu den Coverfotos von Steeplechase: Diese Fotos von Nils Winther mögen in der Regel keine künstlerischen Glanztaten sein. In den meisten Fällen sind sie aber immerhin passabel belichtet. Das spricht eigentlich dafür, dass Kamera und Film für diesen Zweck geeignet kalibriert sind und/oder dass Winther mit der Voreinstellung richtig umgeht. Die Coverfotos der Dyani, Cook, Cables und Knuffke & Herring-Alben hingegen sind in meinen Augen aber nicht nur künstlerisch (Bildausschnitt, Hintergrund …) sondern auch von der Belichtung her schlicht: Pfusch! Da macht Winther die blödesten Anfängerfehler, die es überhaupt gibt: Dunkles Motiv im Gegenlicht, dunkles Motiv (neben hellem Motiv) vor dunklem Hintergrund, unzureichende Beleuchtung usw. usf. Ob diese Fotos gute Beispiele für die an einem weißen Ideal orientierte Kalibrierung der Fotoausrüstung sind, würde ich daher vorsichtig in Frage stellen. Die Fotos von Konitz und Rodney sind übrigens nicht viel besser. Auch die hat Winther verpfuscht.
Insofern scheinen mir bei diesen Fotos weniger die normierten Voreinstellungen das Problem zu sein. Das Problem ist in diesen Fällen viel mehr der Fotograf. Zum einen, weil Winther dort die einfachsten Grundregeln der Fotografie missachtet, zum anderen, weil er visuell so unsensibel ist, dass er ein gutes von einem schlechten Foto nicht unterscheiden kann. Und möglicherweise ist er durch eine Gewöhnung an schlecht belichtete Porträts farbiger Menschen auch voreingenommen, so dass ihm das gar nicht auffällt.
Obwohl: In meiner Plattensammlung finden sich zahlreiche brillante Coverfotos von u.a. Muddy Waters, Miles Davis, Sun Ra, Aretha Franklin, Prince und aktuell Janelle Monae, Kelela und Jamila Woods. Ob da bei den Farben und der Helligkeit nachbearbeitet wurde, ist eine andere Frage.
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“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.” (From the movie Sinners by Ryan Coogler)