Antwort auf: Ich höre gerade … klassische Musik!

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gypsy-tail-wind
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Die erste CD lief neulich schon mal – es gibt hier wohl einige feine Entdeckungen zu machen, u.a. Op. 105, das ich vor ein paar Tagen bei Evgenia Rubinova erstmals hörte (hier auf der sechsten/letzten SACD, nach den Diabelli-Variationen). Es handelt sich um Vol. 10 bis 15 von Brautigams Einspielung der Werke Beethovens für Klavier solo (Vol. 1-9 sind natürlich die Sonaten, die ich aber in seiner Einspielung nicht kenne).

Auf CD 1 gibt es Opp. 33, 119 und 126, also die drei als Bagatellen publizierten Werke, und dazwischen diverse weitere Stücke, meist mit einer WoO- oder einer Hess-Nummer. Auch dabei ist natürlich die Bagatelle A-Moll WoO 59 „Für Elise“ (die vermutlich „Für Therese“ heissen müsste) – wie die interessanten Liner Notes meinen eigenltich ein „Lied ohne Worte“ avant la lettre. Überhaupt vertritt der Autor des Texts (die Box enthält – sehr schön, und eine grosse Ausnahme! – die sechs Originalbooklets, die SACDs jeweils in Papierhüllen dazwischen) die Ansicht, dass Beethovens Bagatellen den Romantikern später viel eher als Anknüpfungspunkt dienten als die Sonaten – auch wenn ein paar der Stücke wohl auch einst als Sätze von solche geplant gewesen waren (das „Andante favori“, das auf Vol. 13 zu hören ist, wurde etwa aus der „Waldstein“-Sonate herausgelöst). Von den Stücken auf Vol. 10, also der ersten, „Für Elise: The Complete Bagatelles“ betitelten SACD, kommt jedenfalls auch formal keines in Sonatenform daher, eher sind es freie Gedanken, vermutlich in vielen Fällen auch ohne Plan einer Veröffentlichung geschrieben, als eine Art Lösungen auch von musikalischen Probleme – ein hierfür prägnantes Beispiel ist Nr. 10 der 11 Neuen Bagatellen Op. 119, in dem eine kleine Phrase in der falschen Tonart und rhythmisch instabil beginnt – daraus eine Form zu bilden, mag keine grössere Sache sein, aber wenn man sich, wie Beethoven hier, nur 10 Sekunden dafür gibt, eben schon. Nr. 7 aus Op. 119 besteht – eine ähnliche Anlage – nur aus einem einzigen Triller.

Vol. 11 und 12 bieten die kürzeren Variationen, also die „Eroica“-Variationen Op. 35 sowie eine ganze Reihe aus der WoO-Liste. Vol. 13 heisst dann „The Rage over a Lost Penny: Rondos & Klavierstücke“ und enthält u.a. die zwei Rondos Op. 51, eben das „Andante favori“ und weiteres. Vol. 14, „Rule Britannia: Variations & Klavierstücke“ enthält die Variationen Opp. 34, 39 & 76 („Die Ruinen von Athen“) sowie weiteres aus dem WoO-Katalog, auf Vol. 15 folgen dann zum Abschluss die „Diabelli“-Variationen und eben die „6 National Airs with Variations“ Op. 105.

Die Box wird wohl mal ein paar Tage oder Wochen in der Nähe bleiben und in gemächlichem Tempo durchgehört, neben anderem.

Ach so: Brautigam spielt drei Hammerflügel, die Paul McNulty nach Instrumenten von Anton Walter und Conrad Graf nachgebaut hat, es gibt in den Booklets natürlich auch einige Angaben zu den Instrumenten.

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