Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Blue Note – das Jazzforum › Die besten Blue Note Alben › Antwort auf: Die besten Blue Note Alben
gypsy-tail-wind
wahr
höre ich grad und nimmt mich gleich mit. tidal faselt was von ‚fällt nach den ersten beiden tracks ab, man hätte standards oder kompositionen der mitspieler dazu nehmen sollen‘, was ich gar nicht nachvollziehen kann. das sax schön edgie, gute melodieklammern, alles mit einem gewissen zug im spiel. klasse. danke für den tip! song of peace läuft im moment. schön, wie washingtons sax so eine freiheit aufsteigen lässt, gleichzeitig aber ganz geerdet und souverän ist. als würde er nicht suchen (wie der dauersuchende john coltrane), sondern gleich ein runtergebrochenes ergebnis präsentieren. das wirkt so unmittelbar gut, ganz direkt. coltrane ist natürlich super im suchen, nicht dass ich falsch verstanden werde, aber es gefällt mir auch gut (und manchmal stimmungsabhängig sogar besser) wenn gleich wie hier was passendes gefunden wird, auch wenn es nicht dazu angetan ist, gleich beteigeuze explodieren zu lassen.
Mag das Album auch gerne – bei mir seit letztem Jahr endlich in Form einer der zwei japanischen CD-Ausgaben da … mit etwas Geduld kriegt man es halbwegs bezahlbar. Das mit der Suche bzw. dem Präsentieren von Ergebnissen empfinde ich aber doch anders, also eher so, dass Washington irgenwdwie den Punkt gerade nicht findet – was das Album nicht schlecht macht, aber bei mir bisher doch immer eine Art Unruhe hinterlässt, und auch eine seltsame Art von Unzufriedenheit – was ja ebenfalls nicht schlecht ist, aber irgendwie krieg ich das Album einfach nicht so klar verortet (ich kenne es wohl seit 15 Jahren oder so, ein Bekannter kopierte mir damals vermutlich dieselbe CD-Ausgabe, die ich jetzt selbst im Haus habe).
diese widersprüchlichen eindrücke wundern mich nicht, das ding ist natürlich alles andere als einheitlich und steht ja auch ziemlich verloren in der blue-note-diskografie herum. es gab ja viele interessante post-coltrane-ansätze dort, aber niemanden, der da noch mit frischem geist kuratiert hätte: die beiden eddie-gale-alben z.b., die vier larry-ayoung-alben nach dem eher klassischen UNITY, andrew hill mit streichern und mit chor, mclean’s BOUT SOUL (völlige leerstelle bei mir sind die vielen leader-alben von elvin jones nach coltranes tod, ich weiß nicht, ob sie hier reingehören), dann noch die entscheidung, ornette kurz zu blue note zu holen… viele tolle ideen, über die sich die ausgräber und kenner seit jeher sehr freuen, aber selbst in den reissue-programmen (bis hin zur tone-poet-reihe) versteht beim label immer noch niemand, was man mit diesen sachen anfangen könnte, die meiner ansicht nach viel anschlussfähiger für junge hörer*innen sind (oder es wird dann doch sachlich durchgerechnet, und das 12. lee-morgan-album wird immer noch besser verkauft als so ein ambivalenter hip shit wie washington…).
washintons besonderer knall ist ja, dass er kompositorisch mit lauter blue-note-formalismen arbeitet, diese im eigenen spiel aber dann sprengt. selbst schuld, sind ja seine kompositionen, aber wenn man den „song of peace“ am ende hört, versteht man schon, was er eigentlich gerne gemacht hätte oder hätte machen sollen (ein unglaubliches stück, ich höre das immer wieder isoliert an, da tut sich wirklich eine neue welt auf, tatsächlich post-coltrane…). das heterogene daran mag ich halt sehr, der muffelige mix, aus dem washingtons sound aber dann um so toller aufsteigt, der versuch der anderen, die gerüste ernstzunehmen (natürlich können barron, workman und chambers hervorragende bossa-grooves fabrizieren!). ich frage mich: wenn washington hier auch so abgehangene licks spielen würde wie shaw oder barron, wäre das album heute völlig unbekannt, vielleicht sogar im schrank geblieben oder aber ein klassiker? ist aber eigentlich eine blöde frage, denn ohne die durchgängige, kompromisslose dringlichkeit im spiel ist sein sound gar nicht zu denken.
zum thema „coltrane als suchender“… ich höre das ja nie (ganz selten vielleicht, in OM z.b.). das coltrane-mysterium besteht für mich eigentlich darin, mit welcher souveränität er die unvorbereitetsten dinge präsentiert hat. vielleicht waren das ergebnisse von ausgedehnten suchbewegungen, aber vielleicht formatierte das spiel auch erst die inhalte, ohne irgendwelche fragen am anfang. klar, die langen live-soli kann man schon als große erkundungen hören, aber eben nie auf einem terrain, das ihm in irgendeiner form angst zu machen schien.
--